Nun schon zum dritten Mal fand das Doktoranden- und Habilitandenkolloquium des AfeT an der Internationalen Hochschule Liebenzell statt. Nachdem im letzten Jahr Prof. Rainer Riesner nach langjähriger fachlichen Betreuung des Kolloquiums an Prof. Roland Deines übergeben hatte, durften wir auch in diesem Jahr zwölf Nachwuchswissenschaftler unterschiedlicher Phasen der akademischen Forschung in Bad Liebenzell begrüßen. Als besonderer Gast nahm unser Vorstandsvorsitzender Christoph Raedl teil.
In vier Referaten stellten Doktoranden ihre laufenden Promotionsprojekte vor:
Stefanie Horn (Universität Heidelberg)
„Werke als Wegweiser zum Glauben? – Anthropologie im Jakobusbrief“
Entgegen des landläufigen destruktiven Dualismus von Glauben und Werken im Jakobusbrief, wird mithilfe des interdisziplinären, anthropologischen Ansatzes der ‚Paradigmatik der Verkörperung‘ (Embodiment) die konstruktive Dualität beider Komponenten entfaltet. Diese verifiziert einerseits die untrennbare Kopplung von Geist und Körper (Individualleiblichkeit), andererseits die beständige Wechselwirkung eines Körpers mit seiner Außenwelt (Zwischenleiblichkeit), sodass sich Sein und Tun individualleiblich und zwischenleiblich stets reziprok beeinflussen. Dasselbe Zusammenwirken nutzt Jakobus in seiner vielfältigen Kritik am Handeln seiner Adressaten, um über Verhaltensänderung (Tun) zu einer neuen Glaubensidentität (Sein) zu gelangen, welche wiederum auf das Tun zurückwirkt (Glaube-Werke-Reziprozität). Am Beispiel der Thematik der ‚Endlichkeit als Geschöpf‘ als einer von sieben jakobeischen Topoi kann demnach aufgezeigt werden, wie Glaube und Taten in individual- und zwischenleiblicher Einbindung als unabdingbare Einheit zur wahren Menschwerdung coram Deo gedacht sind.
Stefan Kämpf (Universität Leipzig)
„Ein methodischer Neuansatz zur Historischen Analyse der Samuelbücher und dessen Implikationen für die historische Frage nach der Entstehung des Königtums in Israel“
Die historische Rekonstruktion zur Entstehung des Königtums ist in der bisherigen Forschung von zwei methodischen Problemen geprägt: Zum einen arbeitet die historische Methode der Literarkritik mit einem Modell von Textentwicklung, die sich bei logischer und empirischer Überprüfung als fehlerhaft herausstellt (vgl. B. Ziemer). Zum anderen ist die Historische Interpretation des archäologischen wie biblischen Befunds durch einen anachronistischen ethnographischen Rahmen von Staatlichkeit geprägt (vgl. E. Ben-Yosef / Z. Thomas). Die These des Dissertationsprojekts ist nun, dass die Annahme, dass sich die Herausbildung der Staatlichkeit erst im 9./8. Jh. zeigt und der historische Wert der Samuelbücher als defizitär zu bewerten ist, eine Folge dieser methodischen Probleme ist. Bei einer neuen historischen Überprüfung, die zum einen von einem passenden theoretischen Rahmen zum Königtum ausgeht, welcher den polymorphen und patrimonialen Charakter eisenzeitlicher Gesellschaften der Levante berücksichtigt und die zum anderen die Samuelbücher mit einer klassischen Quellenkritik historisch interpretiert, erweist sich die Entstehung des Königtums in Israel in der Eisenzeit I unter König Saul als plausibel.
Jinkyou Jimmy Nam (STH Basel)
„Gottes Wort aus dem Mund der Lebenden: Explizite Erzählfigurenzitaten in den kanonischen Evangelien und der Apostelgeschichte.“
Sein Dissertationsthema geht von der Beobachtung aus, dass die expliziten Erzählfigurenzitate, die uns häufig in den Geschichtswerken des Neuen Testaments begegnen, recht selten in den frühjüdischen Schriften (inkl. Josephus und Philo) und auch in der Mischna vorkommen. In seiner Arbeit soll die Befundlage zunächst systematisch dargestellt werden. Schließlich wird gefragt, warum sich diese Zitierweise zwischen dem Christentum und dem frühjüdischen Schrifttum so unterschiedlich darstellt.
Jonas Brunner (STH Basel)
„Die Urgeschichte als Bau, Indienstnahme, Schändung und Reinigung des Heiligtums“
In seiner intertextuell angelegten Dissertation ist Jonas Brunner auf der Suche nach priesterlichen Motiven in der Urgeschichte. Der Arbeit liegt methodisch ein synchroner Ansatz zugrunde. Derzeit untersucht er einzelne Stellen aus der Garten-Eden-Perikope und vergleicht diese mit als klassisch priesterlich eingestuften Texten in Exodus, Levitikus und ggf. Numeri. Dabei arbeitet Brunner nicht nur priesterliche Motive aus der Urgeschichte heraus, sondern versucht diese in einen Sinnzusammenhang zur geschichtlichen Rahmenhandlung in Exodus- und Levitikus zu bringen.
Dr. Andreas-Christian Heidel