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Ein Bericht von Dr. Uwe Rechberger

„Habe ich dir nicht geboten: Sei stark und mutig. Erschrick nicht und fürchte dich nicht! Denn mit dir ist der HERR, dein Gott, wo immer du gehst.“ (Jos 1,9) Dieses Losungswort stand als große Verheißung über unserem diesjährigen Kolloquium am 19. und 20. Februar 2016 im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen.

Die Reihe der Referate eröffnete Dr. Walter Hilbrands (Gießen). Sein Thema: „Kohelet als Schöpfungstheologe“. Kein anderes Buch des Alten Testaments wird so unterschiedlich gedeutet wie Kohelet. Vom „preacher of joy“ bis zum Zyniker ist alles vertreten. Dies hängt unmittelbar mit der Frage der Integrität des Buches zusammen: Gewinnen die positiven oder die negativen Aussagen im Buch die Oberhand? Vielfach werden nur die ersten drei, eher skeptischen Kapitel des Buches zur Norm erhoben. Die späteren, positiven Aussagen erscheinen entweder als redaktionelle Ergänzungen oder als Zitate, die nicht die eigentliche Auffassung Kohelets widerspiegeln. Hier soll der Versuch unternommen werden, die Spannungen im Buch textimmanent und inneralttestamentlich zu deuten. Dabei zeigt sich, dass Kohelet immer wieder auf die biblischen Schöpfungstraditionen rekurriert. Die komplexe Wirklichkeit der uns umgebenden Welt findet ihren Niederschlag in  den polaren Aussagen des Buches. Im Hinblick auf die Tun-Ergehen-Äquivalenz steht Kohelet zwischen dem optimistischen Sprüchen und dem pessimistischen Hiob. Gott wird nicht angeklagt, sein Werk setzt der menschlichen Erkenntnis aber deutliche Grenzen.

Wladimir Pikman (Berlin) referierte zum Thema „Kinder Abrahams in der hebräischen und griechischen Bibel“. W. Pikmann schreibt dazu: In Galater 3,29 bezeichnet der Apostel Paulus Nicht-Juden, die an Jesus glauben, als „Samen Abrahams.“ Heutige Juden verstehen darunter hauptsächlich eine biologische Abstammung von Abraham, Isaak und Jakob. Gibt es theologische Traditionen auf die sich Paulus dabei beziehen konnte? In der Hebräischen Bibel und der Septuaginta meint „Same Abrahams“ ausschließlich die biologische Nachkommenschaft. Dasselbe gilt auch für andere Bezeichnungen, die für Israeliten verwendet werden. Obwohl es auch für Menschen anderer Völker möglich ist, sich Israel anzuschließen, gibt es weiter Grenzen, die eine volle Integration nicht zulassen. Diese Differenz tritt noch stärker in der Septuaginta und in den Apokrypha zutage. Erst in der Endzeit wird sich dies ändern. Die eschatologischen Erwartungen der Hebräischen Bibel und der Septuaginta erlauben es auch Menschen aus anderen Völkern, die sich dem Gott Israels und damit auch absolut gleichberechtigt Israel selbst anzuschließen. Möglicherweise bezieht sich Paulus im Galaterbrief darauf.

Jörg Breitschwerdt (Tübingen) hielt eine  Vortrag zum Thema „Geschichte und Glaube. Von den Auseinandersetzungen um die „moderne Theologie“ im 19. Jahrhundert zum „evangelikalen Protest“ im 20. Jahrhundert. Wurzeln und Hintergründe der innerkirchlichen evangelikalen Bewegung in Württemberg und Westfalen.“ Das Dissertationsprojekt versucht aufzuzeigen, inwiefern die (innerkirchliche) evangelikale Bewegung an die kirchlich konservativen Reaktionen in den großen theologischen Auseinandersetzungen des 19. Jh. anschließt. So kann gezeigt werden, dass sich schon Ende des 19. Jh. theologisch konservative Netzwerke im Gegenüber zur sog. „modernen Theologie“ bildeten, die Eingaben an Kirchenleitungen formulierten, sich in der Synode als Gruppe organisierten und Studienhäuser und theologische Kurse zur Begleitung von Theologiestudenten ins Leben riefen. Die evangelikale Bewegung in Württemberg führte diese Auseinandersetzung in inhaltlicher und konzeptioneller Entsprechung weiter. Auch lassen sich vereinzelt personelle Kontinuitäten zwischen den Bekenntnisbewegungen des 19. zu denen des 20. Jahrhunderts feststellen. Somit bildete Bultmanns Entmythologisierungsvortrag nicht den Anfangspunkt, sondern einen Kulminationspunkt einer schon lange geführten Auseinandersetzung theologisch konservativer Kräfte mit der „modernen Theologie“.

Ingmar Wendland (Gau-Algesheim) hat über sein Promotionsprojekt „Erwachsenwerden und Kirche“ berichtet. Er schreibt dazu: Gesellschaftlich gesehen dehnt sich der Vorgang des Erwachsenwerdens zeitlich immer mehr aus und wird zunehmend diffuser. Klare Kriterien, wie Heirat oder Eintritt in das Erwerbsleben, lassen sich kaum noch ausmachen. Dabei ergibt sich die Frage, welchen Gestaltungsraum junge Menschen in dieser Lebensphase in der Kirche finden und wie kirchliche (Bildungs-)angebote sich auf die Veränderungen und Herausforderungen des „emerging Adulthood“ einstellen.

Herzlich danken wir Prof. Dr. Rainer Riesner für seine sachkundige Begleitung des Kolloquiums sowie der Familie Riesner für ihre Gastfreundschaft am Freitagabend.

Das nächste AfeT-Doktoranden- und Habilitandenkolloquium findet am 10./11. März 2017 im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen statt. Weitere Interessierte sind herzlich willkommen.