Evangelikale Missiologie in Korntal
Die Akademie für Weltmission

Konrad Brandt, Rektor

„ ...die Freie Hochschule für Mission in Korntal – angesichts des Abbaus bzw. der Umfunktionierung missionstheologischer Lehrstühle an Universitäten möglicherweise bald einer der wenigen Orte, an denen noch Missionswissenschaft betrieben wird, die den Namen wirklich verdient.“

Konrad Brandt, RektorDie Fakultät der Freien Hochschule für Mission in Korntal dankt Helmut Burkhardt für diese Empfehlung in ETM 5/2 (1999), S. 4. Im selben Heft lesen wir im Beitrag von Eberhard Hahn unter der Überschrift „Im Schnittpunkt von Gemeinde Jesu hier und weltweit“ eine Anmerkung, die uns Korntaler ebenfalls hoch erfreut: „Die Kirche Jesu Christi reicht weiter als unser Kirchturmhorizont, den wir selbst überschauen. Daher war die Weltmission von jeher ein zentrales Anliegen des Pietismus. Als Werk aus dem Bereich des Pietismus wäre auch das Albrecht-Bengel-Haus ohne seinen Missionszweig nicht denkbar.“ (ETM 5/2 (1999), S. 10). Unsere „Missionsherzen“ schlagen höher, wenn wir solche Aussagen lesen. Darum stellen wir uns gerne an dieser Stelle vor.

Seit 1984 sind wir unter dem Namen Freie Hochschule für Mission (FHM) bekannt. Gedacht war bei der Gründung an eine Art Fachhochschule, die für Missionare einen international anerkannten Abschluss anbietet. Der akademische Studienabschluss mit einem Master of Arts (M.A.) in Missiologie wurde schließlich über das anglo-amerikanische Bildungssystem möglich bei dem Columbia Biblical Seminary and Graduate School of Missions (CBCS) in Columbia, SC, USA – heutiger Name: Columbia International University (CIU). Nach wie vor gibt es in Korntal auch ein Seminar für Missionarische Fortbildung (SMF) ohne akademischen Abschluss. Beide Bereiche, der Deutsche Zweig Korntal der CIU und das SMF, arbeiten unter dem Dach der FHM, die am 30. Mai 2000 in Akademie für Weltmission Korntal e.V. (AWM) umbenannt wurde. Trotz der notwendig gewordenen Eigenständigkeit sind wir nach wie vor die missiologische Ausbildungsstätte der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) und werden von über sechzig Missionsgesellschaften regelmäßig unterstützt.

1. Evangelikale Missiologie auf deutschem Boden

Missionare oder Missionsinteressenten können in Korntal nach 16 jähriger Vorbildung, die im allgemeinen mindestens drei Jahre an einem theologischen Seminar oder einer anerkannten Bibelschule einschließt, unter den Fachbereichen Missiologie, Theologische Studien oder Bibelauslegung wählen, um den jeweiligen M.A. zu erwerben.

Von Anfang an handelt es sich vorrangig um die Weiterbildung von Missionaren, die mit sieben Jahren Diensterfahrung und der oben beschriebenen Vorbildung zum Masterstudium zugelassen werden. Viele Missionare aus den AEM-Missionen nahmen dieses Angebot dankbar an, um anschließend ihrem Herrn Jesus Christus mit einem international bekannten und anerkannten Studienabschluss besser dienen zu können. Wenn auch einige fürchteten, die „Masteritis“ sei ausgebrochen, dann können wir heute dankbar bekennen, dass es viel mehr darum geht, Gott die Ehre zu geben und dem Missionsauftrag Jesu in unseren Tagen besser gerecht zu werden.

Inzwischen kam die Nachfrage von etlichen Bibelschul- und Seminarabsolventen, die sich ohne Missionserfahrung auf den vielfältigen Dienst im Ausland vorbereiten wollten. Auch in diesem Fall sind 16 Jahre Vorbildung einschließlich theologischer Ausbildung die Voraussetzung zum Studium.

Schließlich gibt es hier und da Interessenten, wie Lehrer, Ärzte etc., die in die Mission gehen möchten und auf Empfehlung der Missionen ein Grundstudium in biblisch-theologischen Fächern absolvieren möchten. Nach einem einjährigen Grundstudium erhält der Student ein Zertifikat und hat die Möglichkeit, ein zweijähriges Fachstudium, das zu einem M.A. führt, anzuschließen.

Ein Modulsystem mit der Möglichkeit des Teilzeitstudiums, der Belegung von Kursen oder dem Fernstudium kommt denen entgegen, die keine Möglichkeit haben, die komplette Ausbildung ohne Unterbrechung durchzuführen. Ein ausführlicher Studienkatalog informiert über alle Studiengänge und Kursangebote. Seit der internationalen Akkreditierung haben über 300 Missionare einen akademischen Abschluss im Deutschen Zweig der CIU erreicht.

2. Von den Anfängen missiologischer Weiterbildung

Wir blenden zurück. Als eine Reihe von Missionsgesellschaften in den sechziger und siebziger Jahren den Bedarf an evangelikaler Fort- und Weiterbildung für ihre Missionare erkannte, wurde der Grund für das Seminar für Missionarische Fortbildung (SMF) im Monbachtal bei Bad Liebenzell gelegt. Leitende Männer des Missionshauses Bibelschule Wiedenest, der Liebenzeller Mission und der Deutschen Missionsgemeinschaft führten seit Ende der sechziger Jahre die ersten Kurse durch. In Liebenzell gelang es 1975, die ersten Missionare zu einer siebenwöchigen Fortbildung zu motivieren. Weitere Kurse folgten. In jenen Jahren der missiologischen Verunsicherung und zunehmender internationaler Herausforderungen wuchs das Interesse an einem anerkannten akademischen Abschluss. Die Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen (AEM) nahm sich der Sache an, lud Professor George W. Peters aus den USA zu einem Sondierungsgespräch ein und beschloss im Februar 1979 den Aufbau einer Ausbildungsstätte im Monbachtal, dem SMF. Seitdem subventionieren die Missionsgesellschaften in der AEM Deutschland und der AEM Schweiz eine ständig wachsende Einrichtung, die bisher nur von den Missionsbeiträgen – also Spenden – und den Studiengebühren der Studenten existiert.

3. Von der Notwendigkeit der Weiterbildung

Es war vor allem Professor George W. Peters, der mit amerikanischen theologischen Hochschulen Kontakt aufnahm, um die Möglichkeit einer Kooperation zu untersuchen. Er stellte fest, dass das Columbia Biblical Seminary and Graduate School of Missions (CBCS) in Columbia, South Carolina, USA, in seiner Struktur und Glaubensgrundlage dem Anliegen der AEM am nächsten stand. Ohne Bindung an eine Denomination, bibelorientiert und ganz auf Jesus Christus und seinen Auftrag zur Weltmission ausgerichtet, entsprach das CBCS ganz den Vorstellungen der deutschen evangelikalen Missionen. Das CBCS verbindet in einer wohltuenden Weise beides, das akademische Studium mit international anerkanntem Abschluss (über die Akkreditierung bei ATS und SACS) und die geistliche Haltung, die sich in der Ehrfurcht vor dem Wort Gottes zeigt. Die Lehre von der Inspiration der ganzen Heiligen Schrift und das wissenschaftliche Arbeiten sind für die bibelgläubigen Dozenten am CBCS unter der Leitung des Heiligen Geistes durchaus zu vereinbaren. Nach der Krise innerhalb der deutschen Missionstheologie waren dies hoffnungsvolle Anzeichen für eine evangelikale Ausbildung von Missionaren, die in den Missionsländern mehr und mehr als bibeltreu und wissenschaftlich arbeitend erwartet wurden.

An dieser Stelle soll George Peters zu Wort kommen, der im Juni 1986 u.a. schreibt: „Die allgemeine Zurüstung zum Missionsdienst erfordert mehr und mehr ein akademisches Studium in Theologie und in den Humanwissenschaften. Die Kontextualisierung und Inkulturierung der Mission, der Kirche und der Theologie erfordern eine Bekanntschaft mit der Kulturwissenschaft und Anthropologie, um in einer angemessenen Weise voranzugehen.“ Er beschreibt die zunehmenden Herausforderungen in der Ausbildung von einheimischen Pastoren und Predigern durch die Mitarbeit an theologischen Ausbildungsstätten. Ein neues Verständnis für die ethnischen Werte der Völker wäre ebenfalls nötig, um der Missionsarbeit der Gegenwart gerecht zu werden. Schließlich würden sowohl die Dienststellen als auch die Behörden im Ausland auf einen akademischen Qualifikationsnachweis der Missionare zunehmend Wert legen. „Um einen Beitrag in religions- und missionswissenschaftlichen Forschungen vom pietistisch-evangelikalen Standpunkt aus, vor allem im detschen Sprachraum, leisten zu können, bedarf es eines akademisch fundierten Ausbildungszentrums“, schreibt Peters weiter.

4. Prägende Persönlichkeiten

Den Missionsleitern mit Weitsicht verdanken SMF, FHM und heute AWM ihre Existenz, und das seit mehr als 25 Jahren. Stellvertretend für viele seien einige genannt: Daniel Herrn, Wiedenest; Lienhard Pflaum, Liebenzell; Ernst Schrupp, Wiedenest und Ernst Vatter, Liebenzell. Sie gehören zu den Pionieren missionarischer Fort- und Weiterbildung.

Unter den prägenden Dozenten sei zunächst Prof. Dr. Dr. George W. Peters genannt. Er gab der FHM ihr Profil und nahm nach und nach Kapazitäten auf dem Gebiet der Missiologie in das Team auf: Prof. Dr. Peter Beyerhaus, Dr. Helmuth Egelkraut, Dr. Klaus Fiedler, Dr. Klaus Hoppenworth, Dr. Lothar Käser, Dr. Klaus W. Müller, Pfr. Detmar Scheunemann.

Prof. Peter Beyerhaus wurde der Nachfolger von Prof. G.W. Peters. Dr. Egelkraut wurde von der CIU zum akademischen Dekan berufen. Ihm folgte Dr. John Harvey als Interimsdekan aus USA. Zum Herbst 2000 wurde Dr. Craig Ott als akademischer Dekan berufen.

Zur Fakultät gehören zur Zeit folgende Voll- und Teilzeitdozenten: Dr. Bernd Brandl (nur ein Semester), Dr. Helmuth Egelkraut, Prof. Dr. Klaus Hoppenworth, Prof. Dr. Lothar Käser, Dr. Detlef Kapteina, Dr. Andreas Maurer, Dr. Craig Ott, Dr. Markus Piennisch, Dr. Rhonda Pruitt, Pfr. Dr. Walter Rapold, Pfr. Jürgen Steinbach, Pfr. Dr. Rainer Uhlmann, Dr. Klaus Wetzel, Prof. Dr. Ursula Wiesemann. Weiter gehören dazu aus dem Bereich der Administration: Matthias Boeddinghaus (M.A. CIU), Konrad Brandt (M.A. CIU), Geschäftsführer Wolfgang Büsing, Carmen Crouse (M.A. CIU), Dipl.-Bibl. Gunhild Franz und Heidi Hübner, Dekanatsreferentin.

5. Die geistig-geistliche Spannung bleibt

Für viele Gläubige war und ist eine akademische Ausbildung suspekt. Aus deutscher Geschichtserfahrung führe sie unweigerlich zum Verlust geistlicher Werte, so meint mancher. Der biblische Glaube würde über kurz oder lang auf dem Altar der Wissenschaft geopfert. In der Tat haben wir es in Deutschland mit diesem Phänomen zu tun. Darum ist der internationale Missionsdienst ebenso wie die Anbindung an das CBCS, das sich 1993 in Columbia International University (CIU) umbenannte, für die deutsche Gründlichkeit im Studium eine gute Ergänzung. CIU hat über 75 Jahre evangelikale wissenschaftliche Arbeit nachweislich ausgeübt und wacht in der Fakultät und im CIU Vorstand darüber, dass Glaubensgrundsätze und geistliche Werte im Lehren und Leben unter Dozenten und Studenten glaubwürdig vertreten werden. Die neue Bezeichnung CIU unterstreicht das pragmatische Denken. Der Name der Ausbildungsstätte soll in den nur kreativ zugänglichen Ländern nicht Türen zuschlagen, bevor sie sich zum Dienst ganz öffnen. Darum wurde dies Entscheidung missionarisch begründet und geistlich unter Gebet und mit großer Einmütigkeit getroffen.

6. Hat die Akademie für Weltmission Zukunft?

Die AWM versteht die Bestrebungen in Deutschlands Seminaren, einen international anerkannten Abschluss zu erlangen. Sie sieht darin eine notwendige Ergänzung im evangelikalen Ausbildungsangebot. Die AWM versteht sich als eine Ausbildungsstätte in dem Bereich, der, wie Helmuth Burkhardt zu recht betont, in seiner Existenz bedroht ist, der Missiologie. Ein Abschluss M.Div. in Missiologie ist in Vorbereitung. Die AWM will dem Auftrag Jesu in der Weltmission gerecht werden und rechnet auch in Zukunft mit einer guten Zusammenarbeit aller evangelikaler Ausbildungsstätten.

Wünschenswert wären weitere gegenseitige Anerkennung unter evangelikalen Ausbildungsstätten, damit wir vor der Welt und in der Welt glaubwürdige Boten des einen Herrn der Mission sind. Darum ist auch ein international kompatibles Ausbildungssystem anzustreben, damit die evangelikalen Missiologen von morgen zugerüstet werden können und den deutschen Theologischen Ausbildungsstätten zur Verfügung stehen. Auf der Suche nach promovierten Missiologen stehen wir immer wieder vor großen Problemen und fragen uns, warum es nicht gelingt, dass fähige Missionare noch mehr gefördert werden. Erfreulich ist die Gründung einer Facharbeitsgruppe Missiologie des AfeM und des AfeT, um evangelikale Theologie und Missiologie in eine engere Beziehung zu bringen und ein gemeinsames Forschen zu fördern.

Das Motto der CIU macht den dringenden Bedarf an Missiologen deutlich: Preparing World Christians to Know Him and to Make Him Known. Biblisch orientierte und motivierte Missionare sollen zugerüstet werden, Jesus besser kennen zu lernen und ihn bekannt zu machen.

Abkürzungen:
AEM – Arbeitsgemeinschaft evangelikaler Missionen
AfeM – Arbeitskreis für evangelikale Missiologie
ATS – The Association of Theological Schools, Pittsburgh, PA,USA
AWM – Akademie für Weltmission in Korntal
CBCS – Columbia Biblical Seminary and Graduate School of Missions, jetzt: CIU
CIU – Columbia International University, South Carolina, USA
FHM – Freie Hochschule für Mission, jetzt: AWM
SACS – Southern Association of Colleges and Schools, Decatur, GE, USA
SMF – Seminar für missionarische Fortbildung Korntal

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 6/2 (2000)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie

10.12.2000
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