Festempfang 25 Jahre AfeT am 13. Dezember 2002 in Gießen

Einleitung Rolf Hille: Das zweite Grußwort wird uns der Präses des Bundes freier Evangelischer Gemeinden, Peter Strauch, halten. Er ist Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz und der Arbeitskreis für evangelikale Theologie, der seine Impulse in der Lausanner Bewegung bekommen hat, war aber dann von Anfang an ein Arbeitskreis, der sich bezogen sah auf die Evangelische Allianz und sich auch, ich sag’s jetzt mal vereinfacht so, als theologischer Arm der Evangelischen Allianz sich immer wieder verstanden hat, aus diesem Kontext heraus seinen Dienst tut und der großen Gemeinschaft, die sich in der Evangelischen Allianz in Deutschland sammelt, auch dienen möchte.

Grußwort Präses Peter Strauch, DEA

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Schwestern, liebe Brüder, lieber Rolf: Danke für das herzliche Willkommen!

Evangelische Allianz und der Arbeitskreis für evangelikale Theologie – das ist nicht voneinander zu trennen, sondern gehört fest zusammen, deshalb komme ich mir hier vor wie auf einer Familienfeier. Und wir freuen uns als Evangelische Allianz über diesen Arm von dem Du sprachst, diesen starken Arm des Arbeitskreises, wir brauchen diesen Arbeitskreis als Evangelische Allianz.

Ich möchte das, was uns wichtig ist, und was ich gerne als Dank und auch als Ermutigung weitergeben möchte, mit einer Begebenheit erläutern, die ich in dem Buch von Helmut Thielicke Zu Gast auf einem schönen Stern fand: Da erzählt er, dass bei seinen Michelgottesdiensten, die er damals im Hamburger Michel hatte, zwei junge Männer dabei waren, diese volle Kirche erlebten und zum ersten mal in ihrem Leben das Vater Unser hörten. Und sie waren so berührt davon, dass sie den Text gerne haben wollten, aber da anscheinend jeder in der Kirche diesen Text kannte, wagten sie es einfach nicht, jemanden danach zu fragen. Und sie gingen am nächsten Tag in die Hamburger Staatsbibliothek und versuchten, das Vater Unser zu finden, aber ohne Erfolg, wie sollten sie auch da dran kommen. Sie suchten dann an einem weiteren Tag in der Bibliothek der theologischen Fakultät und kamen auch nicht weiter. Und dann hatte jemand von den beiden den Gedanken, dass vermutlich im Rundfunkgottesdienst dieses Gebet ja auch vorkäme und dann saßen sie am nächsten Sonntag mit einem Stenoblock vor dem Rundfunkgerät und als das Gebet kam, stenographierten sie mit und hatten das Vater Unser wie sie sagten „im Kasten“.

Lassen Sie mich drei Danksagungen und drei Ermutigungen in Verbindung mit dieser Geschichte weitergeben:

Ich danke dem AfeT, dass er gute, biblische Theologie in die Öffentlichkeit stellt, so dass sie auffindbar ist, und halte das für ganz wichtig. Unter den etwa 4000 Teilnehmern damals, 1974 in Lausanne, waren 180 aus Deutschland. Und die kamen aus einem Land, in dem an den Universitäten der Bereich Theologie vor allen Dingen von bibelkritischen Positionen und Theologen beherrscht war. Auch evangelikale Theologen äußerten sich, auch öffentlich, in unserem Land, aber meist in Negation, was ja auch wichtig ist. Sie beschrieben, was unbiblisch, was falsch ist. Und wir erlebten damals in Lausanne eigentlich zum ersten Mal, so ging mir das wenigstens, Theologen aus dem internationalen Bereich, eine ganze Reihe aus der so genannten dritten Welt, die mit einem unglaublichen Freimut Positionen weitergaben und Begriffe erläuterten wie Mission und Evangelisation oder soziale Verantwortung und Dialog. Und das geschah so, wie wir das eigentlich nicht kannten, und ließ einen sehr starken Impuls zurück. Wir haben das ja gehört, dieser große Kongress für Evangelisation war ja eigentlich der Kreißsaal für diesen Arbeitskreis für evangelikale Theologie. Und ich bin froh, dass sich das in unserem Land geändert hat, dass man gute, evangelikale Theologie findet, in der Literatur etwa. Ich glaube, dass gerade der AfeT viel dazu beigetragen hat, das publik zu machen, auch die Preisverleihungen helfen dabei, die Jahrbücher, die immer erscheinen mit aktuellen Themen, und nicht zuletzt auch der Auftritt des AfeT im Internet. Gute Theologie braucht Öffentlichkeit und wir danken Euch ausdrücklich dafür, dass Ihr uns darin weitergebracht habt. Das ist wichtig um der jungen Leute willen, die sonst vergeblich nach tragfähigen und durchdachten Antworten suchen. Und damit meine ich die, die den Schutzraum ihrer Gemeinden und Bibelkreise verlassen, um Theologie zu studieren, aber auch die, die noch nie mit biblischer Theologie in Berührung kamen, auch sie brauchen diesen Hinweis, brauchen diese Signale, brauchen Hilfen, um darauf zu stoßen. Wir danken Euch dafür.

Ein Zweites: Ich danke dem AfeT, dass er biblische Theologie mit aktuellen Fragen, Tendenzen und Bewegungen verknüpft, und dabei deutlich Position bezieht. Die theologischen Fragestellungen, die haben sich ja seit den 70er Jahren, seit Lausanne damals, verändert. Und ich hab mir noch einmal die Jahrbücher angesehen und festgestellt, dass die Jahrbücher eigentlich immer dran bleiben an dem, was aktuell wichtig ist. Neben fundamentaltheologischen Themen werden Fragen wie Ökologie, Wissenschaftsthemen aus ganz unterschiedliche Bereichen, der Ethik, politische Themen, Bioethik und vieles andere dort aufgegriffen und durchdacht, biblisch durchdacht, und dabei nicht moderiert oder offengelassen, sondern deutlich Position bezogen. Ich habe gelernt, Theologie ist glaubendes Erkennen, denkendes Verarbeiten und verantwortliches Aussagen. Und dieses denkende Verarbeiten von aktuellen Fragen heute und Bewegungen heute ist etwas, was ganz wesentlich ist und dafür danken wir gerade diesem Arbeitskreis, der sich da verpflichtet weiß und das aufgreift. Nur so sind wir auffindbar mit diesen Positionen und nur so bewahren wir vor allen Dingen junge Leute davor, in zwei Welten zu leben, in einer geschützten Welt des Glaubens, in der alles stimmig zu sein scheint und jede Frage beantwortet wird, und in einer schmerzhaften Wirklichkeit, in der auf vieles keine Antworten zu finden sind und vieles sich nicht so leicht lösen lässt. Diese beiden Welten miteinander zu verknüpfen, zu durchdringen, ist etwas ganz wesentliches und wir sind Euch dankbar dafür, dass das geschieht.

Und ein Drittes: Ich danke dem AfeT, dass die beiden erwähnten Aufgaben, also biblische Theologie in die Öffentlichkeit zu stellen und sie mit aktuellen Fragen, Tendenzen und Bewegungen zu verknüpfen, nicht auf Kosten der Substanz geschieht. Und mit Substanz meine ich die Kraft des Evangeliums, die Wirkung, die Energie, die Dynamik des Heiligen Geistes. Ich hab gelesen, auch in der Vorstellung des AfeT, evangelikale Theologie weiß sich in ihrer Arbeit abhängig vom Heiligen Geist. Und dass das nicht nur eine dogmatische Aussage, sondern gelebte Wirklichkeit ist, das erscheint mir als etwas ganz Wesentliches auch für diesen Arbeitskreis. Franzis Schaeffer spricht in seinem Buch „Geistliches Leben – was ist das?“ eine Frage aus, die mich nie losgelassen hat, er fragt: Wenn Gott seiner Kirche den Heiligen Geist für eine gewisse Zeit entzöge, würden wir das überhaupt merken? Oder ist alles so durchorganisiert, dass wir überhaupt nicht kapieren, dass uns Wesentliches verloren ging? Ich denke das ist auch die Gefahr einer pietistisch evangelikalen Frömmigkeit, in der alles so durchorganisiert ist, dass der Geist Gottes zu einer Begrifflichkeit verkümmert und genau das darf nicht passieren. Ich las in der FAZ vor einigen Wochen Folgendes unter der Überschrift Zuspruch ohne Substanz: Wen stört noch die Religion? Wenn beispielsweise ein Kirchenmann im Radio spricht, dann handelt es sich in der Regel um einen umgänglichen Zeitgenossen, aufgeschlossen, ohne missionarischen Eifer. Die meisten tolerieren das heute als eine Art Folklore und räumen ein, dass die Kirchen doch eine positive Ausstrahlung auf die Gesellschaft haben. Und dann steht da weiter, ich zitiere: Wenn die Religion nicht mehr Vision und Transformation zu bieten hat, dann endet sie als Sozialverein und löst sich allmählich in Wohlgefallen auf. Die heimatlose Energie fließt dann zu Pfingstlern oder Enthusiasten oder sie sucht sich ganz andere Kanäle. Wir leben in einer Zeit, die geradezu sucht nach Substanz, nach einer tragfähigen Basis, nach einer lebensverändernden Kraft, und Theologie und die Erfahrung dieser Kraft dürfen nicht voneinander getrennt werden, sondern gehören untrennbar zusammen. Diese beiden jungen Männer im Michel damals wurden berührt von der Kraft eines biblischen Textes und hatten eine Sehnsucht danach, dies zu finden und sich damit weiter auseinander zu setzen. Wir danken dem AfeT für seine Arbeit, danken dafür, dass er gute, biblische Theologie in die Öffentlichkeit stellt, dass er diese Theologie mit aktuellen Fragen, Tendenzen, Bewegungen in Berührung bringt und Position bezieht und dafür, dass beides nicht auf Kosten der Substanz geschieht: Danke schön!


31.05.2003