Notizen aus der Schweiz

Studientag der „Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie“, Schweiz

Thomas Hafner

Am 31. März 2001 kamen 30–40 Interessierte der Arbeitsgemeinschaft für biblisch erneuerte Theologie (AfbeT) zu einem Studientag in den Räumlichkeiten des Theologisch-Diakonischen Seminars in Aarau zusammen. Ein Jahr zuvor, am 29.01.2000, war ein komplett neuer Vorstand gewählt worden: Pfr. Dr. Beat Weber (Linden, BE) als Präsident, Prof. Dr. Peter Wick (Basel), Dr. Bernhard Ott (Liestal, BL), Dr. Fritz Peyer (Lützelflüh, BE) und Pfr. Thomas Hafner (z.Zt. Oberentfelden, AG). Dies war umso erfreulicher, als mangels Mitarbeiter/-innen im Herbst 1999 die Auflösung der AfbeT gedroht hatte! Der neue Vorstand erhielt den Auftrag, „bis Mitte 2001 das Ziel und die Arbeitsweise der AfbeT zu klären.“ Am 31. März nun konnte das unspektakuläre Ergebnis präsentiert werden.

Mut zu erneutem Hören

Der Morgen des Studientages bestand – nach orientierendem Rückblick zur AfbeT-Geschichte und Rundblick auf das gegenwärtige Umfeld von Theologie und Kirche – im Wesentlichen im Hören und Bedenken von Psalm 1 und Apg 4, 24–31. Dem Vorstand ist anhand dieser zwei Texte exemplarisch klar geworden, dass gemeinsames geduldiges und anhaltendes Studium des Wortes „von selbst“ die Richtung weist. Nun wurden die Teilnehmenden des Studientages eingeladen, mitzuhören und dann auch mitzuteilen, was sie entdecken. Unter Anleitung von Beat Weber konnten wir Psalm 1 als „Einweisung in eine biblisch erneuerte Theologie“ und als Tor in den Psalter mit mannigfachen Bezügen in die gesamte Bibel entdecken. Eigentlich muss man dabei gewesen sein!

In einem zweiten Referat führte uns Peter Wick anhand des „Mustergebetes“ der Gemeinde in Apg 4 vor die aufregende Tatsache – oder besser: göttliche Dynamik – eines schriftgebundenen und doch freien geistgeleiteten Betens. Demnach führt das Nachdenken und „Murmeln“ von Psalm 2 durch die Jerusalemer Urgemeinde zu einem gegenwartsrelevanten und vollmächtigen Gebet. Die damalige Gegenwart (die Bedrängung durch das etablierte Judentum) wurde der Gemeinde im Licht des Psalms verständlich. Der ihnen vertraute Psalm hielt sie an, von Gott zu erwarten, dass er sich den sinnlos tobenden Völkern gegenüber als souverän und mächtig erweise und der Gemeinde den Mut und die Freiheit zur Verkündigung verleihe. Von solchem, schriftgebunden Beten ging enorme Kraft aus. Warum sollte es heute anders sein?

Die Psalmen als Einstieg

Wir praktizieren das Hören und das Murmeln der Weisung Gottes im Sinne von Psalm 1,2. Denn auf dem Tun dieser Beschäftigung liegt die Verheissung „Selig!“. Wir möchten ja, dass die Unternehmung AfbeT glückt, dass wir wie die Bäume am Bachufer nicht bloss stehen und nicht umfallen wie die vielen Modernisten, sondern Frucht bringen, d.h. geniessbare Theologie hervorbringen. Darum üben wir gemeinsam, als kleine Gruppe, in geschwisterlicher Gemeinschaft, konkret den Umgang mit den Texten. Über den Schriftumgang reden und diskutieren wir nur sekundär. Die Psalmen sind uns zu einer entscheidenden Orientierung geworden, zu einer Quelle von theologischer Erkenntnis, an der wir uns weiterhin zu lagern gedenken.

Verbindung von theologischer Arbeit mit Gebet und Gotteslob

Eine weitere Absicht des Studientags lag in der praktizierten (wiederum nicht postulierten) Verbindung von biblisch-theologischem Nachdenken und gottesdienstlichem Feiern. Deshalb mündeten die Bibelarbeiten in ein kurzes Gebet und im Singen eines Psalmes. Dies war und ist nicht als pietistisch-erbaulicher Zusatz zu verstehen, sondern als geistliche Übung zur Reintegration zusammengehörender Dinge. Ich glaube: Wer froh und kräftig singt, hat es leichter, klar und konsequent zu denken. Gewiss entstand da und dort das Missverständnis, wir würden theologische Probleme, die nur auf dem Weg über harte Arbeit zu lösen sind, mit einem Lied oder einem Tänzchen überspielen wollen. Das wäre allerdings dumm. Spirituelle und intellektuelle Beschäftigung mit demselben Wort werden sich unserer Erfahrung nach gegenseitig befruchten.

Orientierung theologischen Fragens und Arbeitens am Sendungsauftrag Jesu

Am Nachmittag legte Bernhard Ott speziellen Nachdruck auf die missionarische Dimension theologischer Arbeit, wie sie ja schon in Apg 4 deutlich wurde. Ott beschäftigt sich intensiv und jahrelang mit Mission und mit Ausbildungsfragen, nicht zuletzt als Leiter des Theologischen Seminars Bienenberg. Eine biblisch-erneuerte theologische Ausbildung ist seine Langzeitperspektive. Hilfreich wären dabei auch historische Arbeiten in Bezug auf die Geschichte der theologischen Ausbildung. Wann wurde wie und wozu ausgebildet?

Spannungsfelder und Ressourcen der AfbeT

Die insgesamt harmonisch verlaufende und vom Sekretär Fritz Peyer gut organisierte Tagung brachte auch die alten Spannungsfelder wieder ein wenig (schön schweizerisch, d.h. gepolstert) zum Vorschein und machte Dilemmata sichtbar. Eine Spannung besteht zwischen der Ausrichtung auf eine erneuerte (fromme) Pfarrerschaft versus erneuertes theologisches Denken. Will man „Hülfe in Bibelnot“ (Schlatter) geben? Es wird sich zudem zeigen müssen, ob mit der Wahl der beiden freikirchlichen Vorstandsmitglieder B.Ott und F.Peyer (Leiter des IGW International) auch die Frage von frei- oder landeskirchlicher Ausrichtung aufbricht. Persönlich verstehen sich die Mitglieder des Vorstandes bestens; es geht uns ja nicht zuerst um die eigene Denomination, sondern um den Dienst am Wort und die Herrschaft Gottes.

Viele Ideen und Anregungen aus der Diskussionsrunde am Nachmittag (der Einbezug jüdischer Schriftauslegung, die Frauenfragen, der Blick auf allgemein gesellschaftliche Entwicklungen) sind gehört worden, können aber kaum vom Vorstand aus angepackt werden. Wir bräuchten dazu mehr „man- und womanpower“. Dazu kommen weitere Wünsche und Anliegen, etwa das der SEA (Schweiz. Evang. Allianz), für Stellungnahmen zur Verfügung zu stehen.

Ausblick

Wir stehen – wie könnte es anders sein? – wieder und wieder am Anfang. Wir wollen mit unserer kleinen Kraft biblisch-theologisches Arbeiten einüben und angesichts von Gottes Schweigen und mangelnder Vollmacht in den Gemeinden fragen, was Er von uns will. Wir sind zurückgeworfen auf die Anfänge des Verstehens. Die Mitgliederversammlung hat uns grünes Licht gegeben, den eingeschlagenen Weg nach Kräften weiterzugehen. Dem Vorstand ist bewusst, dass die AfbeT die sich erneuernde Theologie in der Schweiz nicht repräsentativ vertritt. Zusammen mit anderen hoffen wir aber auf erneuerte Theologie als Geschenk.

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 7/2 (2001)
Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie

23.12.2001
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