Rolf HilleRolf Hille: Editorial ETM 7/1 (2001)

Liebe Freunde,

darin hatte Friedrich Schleiermacher sicher recht, als er auf den engen Zusammenhang von theologischer Arbeit und kirchenleitendem Handeln hinwies. Wir haben dieses Thema in den beiden zurückliegenden Sitzungen des AfeT-Vorstandes angesprochen. Und in ganz überraschender Weise sind diese Fragen in unserer Mitte besonders aktuell geworden, weil unser langjähriges Mitglied und stellvertretender AfeT-Vorsitzender, Dr. Gerhard Maier, zum Landesbischof in Württemberg gewählt worden ist. Im Spannungsfeld zwischen seinen kirchenpolitischen Kritikern und den Erwartungen seiner evangelikalen Freunde, liegt kein einfacher Weg vor ihm. Aber gerade deshalb wünschen wir ihm gute Gesundheit, viel Weisheit und Gottes Segen. In der Sache ist wichtig, dass nach evangelischem Verständnis die Kirche durch das Wort regiert wird. Es geht nicht um Kirchenparteien bzw. menschliche Befürchtungen und Erwartungen, sondern um Treue in der Verkündigung des Wortes Gottes und um biblische Lehre, die angesichts der Irritationen unserer Zeit Orientierung gibt.

Dieses Problem Theologie und Praxis stellt sich selbstverständlich nicht nur im Blick auf das Amt eines Bischofs, sondern auf allen Ebenen der Leitung in Gemeinden, Missionswerken, Ausbildungsstätten, Gemeinschaftsverbänden etc. Die Frage nach der Relevanz, Kompetenz und Effizienz theologischer Einsichten für handlungsorientierte Entscheidungen gilt es umfassend zu bedenken. Nicht selten begegnen wir dem gängigen gegenseitigen Vorurteil von sogenannten Theoretikern und Praktikern. So als sei theologische Forschung und Reflexion eine wirklichkeitsferne Bemühung im wissenschaftlichen Elfenbeinturm, die weder mit den harten Realitäten an der Gemeindebasis noch mit kirchenleitender Verantwortung ernsthaft etwas zu tun hat. Diese Trennung ist fatal und biblisch unhaltbar, gerade weil wir als evangelikale Theologen überzeugt sind, dass biblische Lehre eine unverzichtbare Dimension aller Lebensvollzüge der Kirche Jesu Christi darstellt. Theologie hat im Dienst des Herrn und in der Vollmacht seines Geistes zu geschehen.

Deshalb ist es auch nicht von ungefähr, dass fruchtbare Theologie im Lauf der Kirchengeschichte immer neu im Bezug zwischen aktuellen Herausforderungen und theologischer Besinnung erwachsen ist. Dies lässt sich unschwer an den ganz großen Namen wie Paulus, Augustin, Luther, Calvin, Spener und Francke bis hin zu Bonhoeffer deutlich machen.

Wir wollen im AfeT zu unserem bescheidenen Teil alles tun, um den Brückenschlag von unseren Konferenzen, Publikationen und Facharbeitsgruppen zu den praktischen Erfordernissen in unseren Kirchen, Freikirchen, Gemeinschaften und Werken zu vollziehen. Daran wollen wir uns hier und jetzt durchaus auch messen lassen. Danach wird schließlich unser theologisches Werk einmal von unserem Herrn beurteilt und gerichtet werden. Und weil wir uns als theologischer Arbeitskreis im Zusammenhang der Deutschen Evangelischen Allianz verstehen, bemühen wir uns, Fragen der evangelischen Allianz aufzunehmen und theologisch zu reflektieren und so dem Hauptvorstand der Allianz zuzuarbeiten. Deshalb soll demnächst auch ein Gespräch zwischen dem Geschäftsführenden Vorstand (GV) der Allianz und dem AfeT-Vorstand darüber stattfinden, welchen Stellenwert theologische Fragen in der Allianz haben und wie man das Gewicht der biblischen Lehre für die Praxis einschätzt.

Gewiss weist Theologie in Forschung und Lehre über jeweils praktische ekklesiologische Erfordernisse hinaus. Die Ergebnisse gründlichen theologischen Nachdenkens lassen sich in ihrer Differenzierung und Komplexität auch nicht einfach 1 zu 1 auf aktuelle Probleme übertragen. Aber die Verantwortung von Fachtheologen und Gemeindeleitern füreinander bleibt wichtig.

In diesem Sinne grüße ich Sie, liebe Freunde, mit herzlichem Dank für alle Mitarbeit und finanzielle Unterstützung wie auch mit dem Wunsch um fruchtbare theologische Arbeit in der Zukunft.

Ihr(gez. Rolf Hille)

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 7/1 (2001)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie

28.05.2001
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