Tempel, Datierungen, Frauen in der Gemeinde

Tagung der Facharbeitsgruppe Neues Testament

Ulrich Neuenhausen

Mit 13 Teilnehmern startete die FAGNT diesmal schon am Nachmittag ihre Tagung am 19./ 20. März 2001 in Ewersbach. Als besonderer Gast am Montag konnte Dr. Herbert Klement begrüßt werden. Als Referent des AfeT liegt ihm an den Kontakten zu den verschiedenen Arbeitsgruppen. Außerdem war auch Prof. Dr. Carsten Peter Thiede angereist, um in zwei Referaten über seine Arbeit zu berichten.

Abriss und Neubau des Tempels

Den ersten Vortrag hielt Dr. Helgo Lindner über Abriss und Neubau des Tempels bei Herodes und Jesus. Dabei ging er der Frage nach, inwiefern der Abriss des Tempels als Aufgabe des Messias gegolten haben kann und ob der Vorwurf, Jesus habe behauptet, den Tempel abreißen und wieder aufbauen zu können, mit solchen messianischen Erwartungen zu tun haben könnte. Letztlich sei aber eine Verheißung der Zerstörung des Tempels durch den Messias kaum eindeutig nachweisbar. Er wies auf die rabbinische Überlieferung hin, dass der Tempelabriss und sein Neubau durch Herodes aufgrund des Rates der Rabbinen erfolgt sei und somit kein eigenständiger Entschluss des Herodes war. Diese Überlieferung zeige, dass den Rabbinen die geistliche oder göttliche Legitimation des Tempelbaus und des vorherigen Abrisses besonders bedeutsam war. Überhaupt sei die Vorstellung, dass der Tempel abgerissen und dann nicht sofort wieder aufgebaut sein würde, für viele Juden eine Schreckensbild gewesen. Dies sei als Hintergrund für Tempelworte im Munde Jesu zu beachten.

Datierung des Papyrus 64

Wie es zur Diskussion um den Papyrus 64 gekommen war, erläuterte Prof. Dr. Carsten Peter Thiede am Abend. Sie sei durch einen Artikel zur Weihnachtszeit in der London Times ausgelöst worden, nachdem ein Redakteur Einsicht in eine Druckfahne für eine wissenschaftliche Publikation genommen hatte. Dass diese erst nachträglich erschien, war nicht Absicht. Thiede zeigte Bilder vom Papyrus 64 und erläuterte, wie er zu der von ihm vertretenen Datierung gekommen sei. S. E. seien die Buchstaben (entgegen der Auffassung von Wachtel) noch dem antiken Zierstil ähnlich, der bis ca. Mitte des ersten Jahrhunderts nach Christus üblich war. Es folgte eine sehr lebhafte Diskussion um Häkchen und Knöpfchen an den verschiedenen Buchstaben und über die Frage, ob der Schrifttyp des P 64 eher in Papyri des ersten oder des zweiten bis dritten Jahrhunderts eine Parallele hat.

Frauen in der Gemeinde

Am nächsten Morgen referierte Dr. Armin Baum im Rahmen eines Werkstattberichts zu den Passagen über das Verhalten von Frauen in der Gemeinde in 1. Kor 11 und 14. Zum einen hielt er daran fest, dass sich Paulus in 1. Kor 11 auf eine Schöpfungsordnung bezieht, wenn er von „Haupt“ oder „Unterordnung“ spricht. Zum anderen machte er deutlich, dass dieser Abschnitt sehr wohl das Beten und Weissagen der Frau vorsieht, auch entgegen 14,34f. Außerdem zeigte er anhand der kulturellen Gebundenheit in Geboten wie dem „heiligen Kuss“, dass es mehr auf die theologische Intention als auf die formale Imitation des Textes ankomme. Auch dieses Referat wird lebhaft diskutiert.

Psalm 17 und der „Sohn Davids“

Anschließend las Dr. Roland Deines mit der Gruppe einen griechischen Text aus den Psalmen Salomos. Als wahrscheinlich jüdischer Text aus dem 1. Jahrhundert vor Christus liefert der Psalm 17 den ersten bekannten Beleg für die Bezeichnung des Messias als „Sohn Davids“. Geschichtlich bezieht er sich wohl auf die Zeit der Auseinandersetzungen zwischen Herodes und den Hasmonäern.

Die Kreuzesinschrift in Santa Croce

Die Tagung schloss mit einem zweiten Vortrag von Prof. Thiede über das Fragment der Kreuzesinschrift in Santa Croce in Gerusalemme, Rom. Dieses Stück Holz stammt mindestens aus der Zeit des Kaisers Konstantin. Es enthält die Kreuzesinschrift in drei Sprachen, jedoch in anderer Reihenfolge als der, die in Joh 19,20 angegeben ist, dafür aber in einer Reihenfolge, die römische Praxis war, nämlich mit der lateinischen Inschrift am Ende. Die Schreibweise des Omikron plus Ypsilon als Schlaufe sei nur für das 1. Jahrhundert nach Christus belegt. Ein „Fehler“, nämlich die Schreibung der lateinischen und griechischen Inschrift von rechts nach links, mache wahrscheinlich, dass es sich kaum um die Arbeit eines Fälschers handeln könne. Somit könne es sich bei diesem Fragment tatsächlich um einen Teil der Originaltafel handeln, die am Kreuz Jesu Christi hing.

Die Tagung war angefüllt mit interessanten Referaten, lebhaften Diskussionen und einer Atmosphäre der Offenheit und Bereitschaft, dem anderen zuzuhören und Argumente zu verstehen. Daneben gab es genug Gelegenheit zum Gespräch. Die gastfreundliche Atmosphäre der Ewersbacher steuerte das Ihre dazu bei. Es hat sich gelohnt, dabei zu sein.

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 7/1 (2001)
Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie

31.05.2001
Facharbeitsgruppe Neues Testament
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