Aus englischsprachigen evangelikalen Zeitschriften

Aus der Vielzahl beachtenswerter englischsprachiger theologischer Zeitschriften wird hier auf die Inhalte solcher Zeitschriften hingewiesen, die im Auftrag von Organisationen herausgegeben werden, die ein dem AfeT vergleichbares Anliegen vertreten: die Evangelical Theological Society in den USA (ETS), die Tyndale Fellowship in Großbritannien, die europäische Fellowship of evangelical Theologians (FEET), die Theologische Commission der Weltallianz.

Journal of the Evangelical Theological Society

JETS 42/1 (1999)

Tyndale Bulletin

TynB 50/1 (1999)

European Journal of Theology

EuroJTh 8/1 (1999)

Evangelical Review of Theology

ERT 23/3 (1999)

Kurzreferat: Altes und neues Volk Gottes

Armin D. Baum

In den vergangenen Jahren wird im amerikanischen Evangelikalismus eine teilweise heftige Diskussion über die korrekte heilsgeschichtliche Zuordnung von Altem und Neuem Testament geführt. Sie dreht sich besonders um die Frage, ob das neutestamentliche Gottesvolk aus Juden und Heiden an die Stelle des ethnischen Gottesvolkes getreten ist oder nicht. Erbt die Gemeinde Jesu die Verheißungen Israels, wie es die reformierte Bündnistheologie sieht? Oder stellt die christliche Gemeinde eine zweite und eigene Linie neben dem ethnischen Israel dar, das weiterhin Träger alttestamentlicher Verheißungen ist, so daß etwa auch die Gründung des Staates Israel eine heilsgeschichtliche Bedeutung hat, wie es im Dispensationalismus gelehrt wird?

Im englischen Sprachraum gilt als prominenter Vertreter der bündnistheologischen Position George Eldon Ladd, während die dispensationalistische Position vor allem von John Walvoord verfochten wurde. In den fünfziger und sechziger Jahren führten diese beiden Theologen eine berühmte Debate über die biblische Eschatologie.

Nachdem diese Jahrhunderte alte Diskussion lange vor allem zwischen den beiden Lagern geführt wurde, gibt es seit einigen Jahren interessante Entwicklungen innerhalb der dispensationalistischen Schule. Sie wurde von den Vertretern eines “Progressive Dispensationalism” angeregt. Diese befürworten im Unterschied zum traditionellen und zum revidierten Dispensationalismus eine dritte Variante dieser einflussreichen heilsgeschichtlichen Theologie. Die traditionelle Form des Dispensationalismus findet sich in den Anmerkungen der auch in Deutschland verbreiteten Scofield-Bibel, die revidierte Form wurde von Autoren wie John Walvoord oder Charles Ryrie bzw. in Deutschland von Erich Sauer vertreten. Hauptvertreter des progressiven Dispensationalismus ist Darrell Bock, Research Professor am Dallas Theological Seminary, und als solcher einer der führenden evangelikalen Neutestamentler Amerikas. In einem Vortrag, den er in der Dispensational Study Group der Evangelical Theological Society gehalten hat, verteidigt er sich gegen den Vorwurf, er habe den dispensationalistischen Standpunkt nicht nur weiterentwickelt, sondern ganz aufgegeben und sei in Wahrheit ein prämillenniaristischer Bündnistheologe im dispensationalistischen Schafspelz: “Wy I Am a dispensationalist with a Small ‘d’” (Journal of the Evangelical Theological Society 41 [1998] 383–396).

Im Anschluss an einen Hinweis auf 1 Kor 1,12 betont Bock, dass keine theologische Tradition oder Schule von sich behaupten kann, sie habe die ganze biblische Wahrheit erfasst und andere theologische Richtungen lägen in jeder Hinsicht falsch. Daher müsse man bereit sein, von einander zu lernen. Und darum scheut Bock nicht vor einer hermeneutischen und eschatologischen Annäherung an die von Ladd vertretene Position zurück. So hält er zwar einerseits hermeneutisch daran fest, dass die bündnistheologische Deutung der alttestamentlichen Heilsverheißungen stellenweise hinter deren wahrem Bedeutungsgehalt zurückbleibt. Er hält es aber für unberechtigt, Vertretern eines reformierten hermeneutischen Ansatzes vorzuwerfen, sie vernachlässigten grundsätzlich den “Literalsinn” der Heiligen Schrift. Denn dieser unscharfe Begriff sei denkbar ungeeignet, den hermeneutischen Unterschied in der Deutung etwa der alttestamentlichen Davidsverheißungen präzise zu beschreiben. Zweitens ist Bock als progressiver Dispensationalist zwar nicht bereit, in seiner Eschatologie auf eine Zukunft für das ethnische Israel zu verzichten. Aber er erkennt an, dass die Davidsverheißungen des Alten Testaments sich nicht erst in der zukünftigen Geschichte des Volkes Israel erfüllen werden, sondern sich in einem ersten Schritt auch schon in der Gemeinde Jesu erfüllt haben.

Bock ist sich dabei bewusst, dass er durch diese Annäherung seines dispensationalistischen an den bündnistheologischen Standpunkt traditionelle Grenzmarkierungen ignoriert und dadurch in den Augen mancher Theologen eine unerfreuliche Verwirrung stiftet. Aber sein Anliegen besteht nicht darin, sich möglichst vollständig mit einem bestimmten theologischen Standpunkt zu identifizieren, sondern immer wieder zu fragen, welcher Gesamtentwurf am ehesten den biblischen Daten entspricht. Um andere Dispensationalisten davon zu überzeugen, dass er dabei kein Bündnistheologe geworden ist, stellt Bock allerdings zur Sicherheit heraus, dass er nach wie vor an einer “pretribulation rapture” festhält. Aber wer weiß, wohin ihn und andere ihre eschatologische Neuorientierung einmal führen wird.

Die innerdispensationalistische Diskussion ist ausführlich dokumentiert in dem von Darrell Bock und anderen herausgegebenen Sammelband Dispensationalism, Israel, and the Church. A Search for Definition (Grand Rapids: Eerdmans, 1992). Sicher wäre es ein lohnendes Projekt für eine theologische Magister- oder Diplomarbeit, eine Bestandsaufnahme dieser amerikanischen Diskussion zu machen und sie zu analogen Phänomenen in der deutschsprachigen evangelikalen Theologie in Beziehung zu setzen, die aus eigenen Traditionen und aufgrund amerikanischer Einflüsse starke dispensationalistische Anteile aufweist.

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 5/2 (1999)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie


23.12.1999
weitere ETM-Beiträge
AfeT-Startseite