Zum Kirchenverständnis der Evangelischen Allianz

Thesen zur Ekklesiologie

Martin Abraham

Im Anschluss an das Thema der AfeT-Studienkonferenz 1997 (vgl. dazu den Dokumentationsband „Bausteine zur Erneuerung der Kirche“, hrsg. Helge Stadelmann. Gießen/ Basel/ Wuppertal 1998) hat sich die AfeT-Facharbeitsgruppe Systematische Theologie (FAGST) mit dem Thema Ekklesiologie befasst. Leitend war dabei die Fragestellung, ob es möglich ist, auf Allianz-Ebene zu gemeinsamen ekklesiologischen Aussagen zu kommen, die über die in der Glaubensbasis Art. 7 festgehaltenen Punkte „allgemeines Priestertum“, „Leib Christi“ und „Auftrag zur Evangeliumsverkündigung“ hinausgehen. Das bedeutet, dass auch kontroverse Themen, die bisher ausgeklammert oder übersehen wurden, differenziert anzusprechen sind: Sakramentsverständnis, Verhältnis von Volks- und Freikirchlern innerhalb der Evangelischen Allianz, Verständnis von sichtbarer und unsichtbarer Kirche. Der Autor folgender Thesen die als inoffizieller und in keiner Weise verbindlicher Vorschlag zu verstehen sind, schließt sich der pointierten Formulierung Jochen Ebers in dem genannten Sammelband an: „Aber können wir vielleicht doch gemeinsam mehr von der Kirche und den Kirchen sagen? Diese Anfrage muss an die bisherige Allianz-Ekklesiologie gestellt werden. Ist denn die Lehre von der Kirche so unbedeutend, dass es sich die Allianz leisten kann, sie in ihrer Arbeit zu übergehen und nur einzelne christliche Personen in den Blick zu nehmen?“ (S. 197). Im FAGST-internen Dialog über die Thesen sind schon Dissenspunkte deutlich geworden. Der (dem lutherischen Landeskirchentum zugehörige) Autor möchte sich vor allem bei Dr. Uwe Swarat (Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden/ Baptisten) und Dr. Johannes Demandt (Bund Freier evangelischer Gemeinden) für ihre bei aller Kritik doch stets fairen und freundlichen Kommentare bedanken. Ihren Niederschlag haben diese Kommentare in Modifikationen des Haupttextes bzw. in den abschließend beigefügten Anmerkungen gefunden.“

Vorbemerkung

Da die Evangelische Allianz auf dem Grund des mit der Heiligen Schrift gegebenen und in der Reformation bezeugten Wortes Gottes steht, kommt bei jedem Themenkreis zunächst die biblisch-reformatorische Basis zur Sprache. Wenn dabei auch aus altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen zitiert wird, ist damit nicht gesagt, dass alle Mitglieder der Allianz diese Schriften formal anerkannt haben müssen. Vielmehr handelt es sich um Sätze, die allein aufgrund ihres biblisch-evangelischen Inhalts Anspruch auf Zustimmungsfähigkeit erheben. Ein zweiter Abschnitt innerhalb der jeweiligen Themenkreise spricht besondere Akzente der Allianz-Sicht an, die im Rahmen der biblisch-reformatorischen Vorgabe bestehen, bevor ein dritter Teil auf Unterschiede im Kirchenverständnis innerhalb der Evangelischen Allianz hindeutet.

I. Was ist Kirche?

Die biblisch-reformatorische Basis

1. Kirche ist die Gemeinschaft der Heiligen (Apostolisches Glaubensbekenntnis). Das sind in evangelischer Sicht diejenigen, die auf die Stimme Christi als des Herrn der Kirche hören (Joh 10) – Menschen also, die „vom heiligen Geist durch das Evangelium berufen, gesammelt, erleuchtet, geheiligt und im Glauben erhalten werden“ (Kleiner Katechismus).

2. Das Wort Gottes schafft Glauben; wo Glaube ist, ist die Kirche. Weil Kirche also ihren Grund im rechtfertigenden und rettenden Handeln Gottes hat, ist sie kein menschliches Werk. Sie wird von Menschen weder gegründet noch erhalten.

3. Die Ehre der Kirche liegt darin, dass sie der Ort der Gegenwart Jesu Christi zwischen Pfingsten und Jesu Wiederkehr ist. Das Leiden der Kirche liegt darin, dass diese Gegenwart verborgen ist. Nur der Glaube kann Kirche als die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche (Nizänisches Glaubensbekenntnis) wahrnehmen, die sie ist.

4. Das heißt jedoch nicht, dass Einheit, Heiligkeit, Allgemeinheit und Apostolizität unsichtbar wären. Sie geben vielmehr Leitperspektiven für die Gestaltung von Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes vor. Sperrt sich die Kirche gegen dieses Wirken des Geistes, so hat dies sehr wohl sichtbare Auswirkungen.

5. Für „Kirche" kann auch „Gemeinde" gesagt werden. Es ist aber hilfreich, beide Begriffe zu unterscheiden: „Gemeinde“ als die einzelne Gottesdienstgemeinde, Kirche als Gesamtheit von Gemeinden. Kirche braucht Gemeinde, weil sie sich vom Gemeindegottesdienst her aufbaut. Gemeinde braucht Kirche, weil nur so etwas von der Einheit des Leibes Christi (1Kor 12) sichtbar wird. Es ist unmöglich, als Christ nur an seiner eigenen Gemeinde interessiert zu sein.

Besondere Akzente der Evangelischen Allianz auf dem Grund der biblisch-reformatorischen Basis

6. Die Glaubensbasis der Deutschen Evangelischen Allianz betont besonders die reformatorische Einsicht vom „Priestertum aller Gläubigen“ (Artikel 7). Damit st gesagt, dass es keine Rangunterschiede unter Christen gibt – nur unterschiedliche Funktionen, die einander mit verschiedenen Gaben dienen. Weil das Wort Gottes in der Kirche immer zu hören sein muss, ist es sachgemäß, ein Amt zu haben, das der Verkündung dieses Wortes dient.

7. Das „Priestertum aller Gläubigen“ setzt ferner ein Lebensverhältnis zum Wort Gottes voraus und zielt auf eine verbindliche Kirchen- bzw. Gemeindemitgliedschaft. „Priester“ kann nur sein, wer den Glauben zumindest in seinen Grundzügen kennt.

8. Weiterhin betont Art.7 der Glaubensbasis den evangelistischen Auftrag der Kirche. Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern um der Menschen willen, die Gott brauchen – besonders in geistlicher, aber auch in leiblich-natürlicher und sozialer Hinsicht.

Unterschiede im Kirchenverständnis innerhalb der Evangelischen Allianz

9. Landeskirchlich orientierte Allianzmitglieder verstehen Kirche von Wort und Sakrament her: Kirche ist, wo recht gepredigt und dem Einsetzungsbefehl Christi gemäß getauft und Abendmahl gefeiert wird (Augsburgisches Bekenntnis, Artikel 7). Aufgrund der Überzeugung, dass Gottes Wort der Grund des Glaubens ist und dass es das, was es sagt, auch wirkt, vertreten sie die Kindertaufe – die aber nur dann recht geübt wird, wenn ein Verständnis dessen gegeben ist, worum es in der Taufe geht, verbunden mit dem Versprechen von Eltern und Gemeinde, die Kinder auf Glauben hin zu erziehen. Taufzulassung muss als geistliche Verpflichtung wahrgenommen werden. Landeskirchliche Allianzmitglieder sind sich dessen bewusst, dass an dieser Stelle in der Volkskirche vieles im Argen liegt, wollen aber dennoch nicht die Wirksamkeit des Wortes Gottes der menschlichen Fehlbarkeit unterordnen.

10. Auch freikirchlich orientierte Allianzmitglieder betrachten das Wort Gottes als Mittelpunkt der Kirche. Taufe und Abendmahl jedoch sind für sie in erster Linie Ausdruck und Bekenntnis des selbstverantworteten Glaubens an dieses Wort. Daher stehen sie der Kindertaufe mehrheitlich kritisch gegenüber und betonen den Verpflichtungscharakter der Gemeindemitgliedschaft. Dennoch sind sie sich dessen bewusst, dass der Glaube kein menschliches Werk ist, sondern von Gott gewirkt wird.

II. Wo wird Kirche sichtbar?

Die biblisch-reformatorische Basis

1. Da der Glaube – durch den Heiligen Geist – in der Kirche als Gemeinschaft der Heiligen vermittelt wird und in ihrem Raum lebt und wächst, ist die Frage, wo wahre Kirche Jesu Christi ist, heilsentscheidend.

2. Wahre Kirche ist, wo das Wort Gottes so gepredigt und ausgeteilt wird, dass Menschen zum Glauben an Christus kommen und in diesem Glauben miteinander erhalten und gestärkt werden. Wichtigster Inhalt dieses Glaubens ist das Vertrauen darauf, allein durch Christus vor Gott gerecht zu sein. Von dieser Mitte her ist auch die Grenze der Kirche zu bestimmen: Sie befindet sich dort, wo andere Heilswege neben Christus gelehrt werden – seien dies andere Heilsbringer oder bestimmte Weisen menschlichen Verhaltens und menschlicher Frömmigkeit (Gal 1,6-10; Eph 4,4-6).

3. Verkündigung und Leben der Kirche speisen sich aus der im Geist Gottes geschriebenen und auszulegenden Schrift.

4. Wie beim Einzelnen die guten Werke als Früchte und Lebenszeichen dem wortbegründeten Glauben folgen, so erwachsen kirchlicher Dienst und Gemeinschaft aus der Gegenwart Gottes in Wort, Taufe und Abendmahl.

5. Gemeinschaft und Dienst sind als menschliche Werke nicht in der Lage, Kirche zu schaffen. Sie sind jedoch wichtige Zeichen eines gesunden Lebensvollzugs von Kirche.

Besondere Akzente der Evangelischen Allianz auf dem Grund der biblisch-reformatorischen Basis

6. Weil Gemeinschaft und Dienst Lebenszeichen der Kirche sind, haben die Erweckungsbewegungen immer darauf gedrungen, dass Konsequenzen des Glaubens im Leben sichtbar werden.

7. Aus der Erkenntnis heraus, dass der Einzelne im Glauben vor Gott nicht durch andere Menschen vertretbar ist, betont die Allianz die Bedeutung des individuellen Glaubens. Sie versteht sich nicht als Kirche oder Kirchenbund, sondern als Gemeinschaft gelebten Glaubens und Dienstes.

Unterschiede im Kirchenverständnis innerhalb der evangelischen Allianz

8. Ein Teil der Allianzmitglieder betont diesen individuell-gegenwartsbezogenen Aspekt des Glaubens so stark, dass Gedanken über kirchliche Tradition und Lehre als überflüssig erscheinen. Statt sich mit Lasten der Vergangenheit herumzuschlagen, möchte man in der Gegenwart authentisches und effektives Christsein leben und dafür möglichst flexible Strukturen schaffen. Hier besteht unter Umständen die Gefahr, das Sein von Kirche an eine bestimmte Gemeinschaftserfahrung zu binden; weiterhin droht eine Geschichtsvergessenheit, die zur Wiederholung von Fehlern der Vergangenheit führt. Die Kurzlebigkeit mancher gemeindlicher Strukturen und Neuaufbrüche ist kein gutes Zeugnis für Christus.

9. Auf der anderen Seite droht die Gefahr, den eigenen konfessionellen Standpunkt zu verabsolutieren und die Wichtigkeit praktizierter Dienstgemeinschaft für das Leben von Kirche zu unterschätzen. Auch dies ist kein gutes Zeugnis für Christus.

III. Wie sieht Kirche aus?

Die biblisch-reformatorische Tradition

1. Wenn von einer „biblischen“ Form von Kirche geredet wird, kann damit nicht die umstandslose Übertragung historischer Formen aus dem 1. Jahrhundert ins 21. Jahrhundert gemeint sein. Entscheidend ist vielmehr die Frage, ob die heute vorhandenen Kirchenformen in sachlicher Kontinuität zum Neuen Testament stehen.

2. Im Neuen Testament finden sich Linien, die die kleine Zahl und den Kontrast gegenüber der Welt betonen (z.B. Mt 5-7; 1-3Joh). Zugleich wird aber auch gesagt, dass die gnadenvolle Einladung Gottes sich an alle richtet und dass sein Erlösungshandeln einsetzt, bevor wir uns dazu verhalten können (1Tim 2,4; Röm 9-11).

3. Keine volks- oder freikirchliche Gemeinde oder Kirche kann auf der Erde schon das Reich Gottes rein darstellen (Mt 13).

4. Diese Einsicht enthebt nicht der Aufgabe, bei Irrlehre oder öffentlicher Unbußfertigkeit nach Mt 18 Kirchenzucht zu üben. Dennoch wird der ,Mischcharakter‘ der Kirche bis zum Jüngsten Gericht bestehen bleiben.

5. Die Reformation führte nicht nur zur Bildung evangelischer Landeskirchen, sondern auch zu freikirchlichen Formen – letztere z.T. durchaus mit reformatorischer Begründung (Luther, Deutsche Messe). Kritisiert wurden die Freikirchen von den Reformatoren nicht in erster Linie aufgrund ihrer Kirchenform, sondern aufgrund von Lehren, die das äußerliche, verstehbare Worthandeln Gottes vom inneren Wirken des Geistes trennten, das sich angeblich nur an wenige Auserwählte richtete. Die bis in unser Jahrhundert hinein oft mit obrigkeitlicher Hilfe erfolgte Unterdrückung der Freikirchen durch die Volkskirchen kann damit nicht gerechtfertigt werden – genauso wenig wie der auch heute zuweilen noch ausgesprochene Sektenverdacht.

Besondere Akzente der Evangelischen Allianz auf dem Grund der biblisch-reformatorischen Basis

6. Indem die Allianz die Kirchenfrage offen ließ, betonte sie, dass das Heil nicht mit der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Konfession oder Kirchenform identisch ist. Dennoch sind Kirchenformen nicht beliebig, sondern hängen mit einer bestimmten Ausprägung des Evangeliumsverständnisses zusammen.

7. Die Volkskirche steht eher in der Versuchung, sich mit überkommenen Strukturen zufrieden zu geben und den Einzelnen nicht mehr auf den Glauben hin anzusprechen. Die Allianz sieht ihre Aufgabe darin, durch Evangelisation und die Bildung lebendiger Zellen neues Leben in die Volkskirche hineinzutragen bzw. bestehende Strukturen in evangeliumsgemäßer Weise zu nutzen.

8. Freikirchen stehen eher in der Versuchung, sich von anderen Konfessionen abzusondern und ihre Gemeinden mit dem Reich Gottes identifizieren zu wollen. Die Allianz sieht ihre Aufgabe darin, durch gemeinsame Veranstaltungen und gemeinsame theologische Arbeit den Blick für die Ökumene (verstanden als Gesamtheit der an Christus glaubenden Menschen) offen zu halten und Fehlentwicklungen einzelner Gemeinden zu korrigieren.

9. Hinsichtlich des Verhältnisses von Volks- und Freikirchlern innerhalb der Allianz gilt, dass grundsätzlich jeder „bleiben soll, worin er berufen ist“. Als „Akt des Gewissens“ (Grafe, Gründer der Freien evangelischen Gemeinden) kann der Übertritt aus der Volks- in die Freikirche oder aus der Frei- in die Volkskirche allerdings nötig werden, wenn in der Heimatgemeinde das Kirchesein pervertiert oder stark in Frage gestellt ist. Dies kann bei Irrlehre, bei der Unmöglichkeit, den Glauben in Gemeinschaft zu leben oder bei Beschneidung der Glaubens- und Gewissensfreiheit des Einzelnen der Fall sein.

10. Es kann aus biblischer, reformatorischer und evangelikaler Sicht nicht hingenommen werden, wenn ein Kirchenmodell als „biblisch illegitim“ gegen das andere ausgespielt wird oder auch wenn beide vor Ort nebeneinander her existieren, ohne voneinander Notiz zu nehmen. Freikirchler wie Volkskirchler sind von Einseitigkeiten bedroht, wenn sie sich der Möglichkeit des Gesprächs und gegenseitiger Korrektur berauben.

Anmerkungen

Zu I.5 schreibt J. Demandt: „Dem Anliegen und der Formulierung dieses Abschnitts stimme ich persönlich zu. Zugleich gebe ich zu bedenken, dass es in Freien evangelischen Gemeinden nicht wenige gibt, die den Terminus Kirche kritisch sehen.“ Rückfrage d.Verf.: Wäre hier eine positive Neubestimmung des Kirchenbegriffs möglich? Ein Kirchenpapier, in dem der Terminus „Kirche“ nicht vorkäme, wäre ein Widerspruch in sich.

Zu I.10 weist J. Demandt darauf hin, dass „innerhalb der evangelischen Freikirchen zum Teil sehr unterschiedliche theologische Traditionen beheimatet sind“, so dass der Begriff „freikirchlich“ nur „sehr bedingt“ zur Subsumierung tauge. Dies betreffe z.B. die Tauffrage. Es dürfte sich hierbei um ein grundlegendes Problem bei der Ratifizierung von Allianz-Papieren handeln, dem wohl nur so entsprochen werden kann, dass Vertreter der unterschiedlichen Traditionen je für sich über das Papier befinden. Auf den typologischen Begriff „Freikirchen“ jedoch ganz zu verzichten, würde ein Gespräch fast unmöglich machen. Auch ein Volkskirchler steht ja nicht hinter allem, was unter der Überschrift „Volkskirche“ läuft. Swarat schlägt zu I.10 ab Satz 2 folgende Alternative vor: „Sie betonen jedoch, dass Kirche nicht schon dort ist, wo das Evangelium angenommen, sondern erst dort, wo es auch im Glauben angenommen wird. Taufe und Abendmahl sind für sie ,sichtbares Wort‘ (verbum visibile) in dem Sinne, dass in ihnen das vom Empfänger geglaubte Wort Gottes und damit auch der Glaube selbst sichtbar wird.“

Zu II.5 betonen die freikirchlichen Kommentatoren, dass Gemeinschaft und Dienst nicht nur Zeichen für das Dasein von Kirche, sondern der Vollzug von Kirche selbst seien. Swarat befürchtet, dass in den Thesen Kirche „nur als heilsvermittelnde Institution und nicht als gläubige Gemeinde“ verstanden werde – eine Alternative, die der Verf. für falsch hält. Beide Elemente, Heilsvermittlung durch Wort und Sakrament wie auch Gemeinschaft von Gläubigen, dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Verf. sieht die EA in der Gefahr, letzteres zu verabsolutieren: Gemeinde ist alles, Institution nichts. Hier bedürfte es einer worttheologischen Aufarbeitung des Institutionenbegriffs (Confessio Augustana, Art. 5).

Zu III.3: In der Interpretation von Mt 13 besteht so wenig Einigkeit (freikirchlich: „Der Acker ist die Welt“ [V.38a]; volkskirchlich: Die Welt geht mitten durch die Kirche hindurch), dass er, wenn es gar nicht anders geht, vielleicht doch ausgeklammert werden muss – oder aber in den Abschnitt „Unterschiede im Kirchenverständnis innerhalb der EA“ gerückt werden muss, auf den Verf. für den Themenkreis III. eigentlich verzichten zu können gehofft hatte.

Zu III.5: Demandt verlangt hier den Zusatz „gelegentlich auftretende Lehren“; ähnlich Swarat. Nach kirchengeschichtlicher Kenntnis des Verf. hingegen war der Spiritualismus durchgängig das theologische Argument für die Kritik der Reformatoren am „Linken Flügel“. Vielleicht ein Thema für die FAGKG?

Zu III.7: Demandt möchte hier nur „die volkskirchlich orientierten Mitarbeiter der Allianz“ sagen und will III.7.-10. unter die Überschrift „Unterschiede [...| innerhalb der EA“ setzen. Damit wäre nach Ansicht d.Verf. wieder ein Stück Gemeinsamkeit des Papiers verloren gegangen. Kann man nicht auch als Freikirchler hinter den Bemühungen stehen, neues Leben in die Volkskirche hineinzutragen – so wie man sich als Volkskirchler freut, wenn Menschen in Freikirchen zum Glauben kommen bzw. ihren Glauben leben?

Zu III.10: Gemeint ist hiermit beispielsweise der Sektenvorwurf einerseits, die Kategorie „Hure Babel“ andererseits – also das mehr oder weniger latente Absprechen des Glaubens. Gemeint ist nicht eine grundlegende Relativierung, die es nicht mehr erlauben würde, von der je eigenen ekklesiologischen Position als der angemesseneren überzeugt sein zu dürfen. Sollte die Formulierung „nicht gegeneinander ausspielen“ so verstanden werden, müsste eine bessere gefunden werden. Nach Eindruck d.Verf. ist es durch den allianztypischen Ansatz beim einzelnen Gläubigen bedingt, dass die Kirchenfrage in der Konsequenz nicht mitbedacht wurde, nach dem Motto: „Du bist zwar ein rechter Bruder / eine rechte Schwester, gehörst aber bedauerlicherweise zu einer biblisch illegitimen Kirche.“ Es mag zwar in gewisser Hinsicht ehrenvoll sein, als „bonus admixtus“ betrachtet zu werden, aber dennoch erscheint hier der wechselseitige Zusammenhang von Christ- und Kirchesein nicht voll erfasst.“

aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 6/1 (2000)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie

22.07.2000
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