Charismatische Missionsbewegung und Evangelikale Missionstheologie

Jahrestreffen der FAG Missionstheologie des AfeM und des AfeT

Bernd Brandl

Unter dem Thema: „Die weltweite charismatische Missionsbewegung als Anregung und Herausforderung für Evangelikale Missionstheologie“ traf sich vom 24. bis zum 26. Oktober die Facharbeitsgruppe Missionstheologie in den Räumen der Akademie für Weltmission, Korntal.

Die Facharbeitsgruppe knüpfte mit dieser Thematik nahtlos an die beiden vorhergehenden Tagungen an, bei denen es um die Frage nach dem Selbstverständnis evangelikaler Missionstheologie im Kontext zeitgenössischer theologischer Entwicklungen ging. Stand im letzten Jahr der Dialog mit der ökumenischen Missionstheologie auf der Tagesordnung, so rückte diesmal die charismatisch-pfingstliche Missionsbewegung und Theologie in den Mittelpunkt des Interesses. Die Teilnehmer traten in einen intensiven Dialog ein mit einem profilierten Vertreter der charismatischen Missionen in Deutschland, Dr. Andreas Franz.

In einem großen Bogen, angefangen mit einer biblischen Besinnung auf das Wirken des Heiligen Geistes als Geist der Mission, weitergeführt durch kirchengeschichtliche Einblicke in die Wiederentdeckung des sicht- und spürbaren Wirkens des Geistes, versuchten die Teilnehmer, das Thema gedanklich zu durchdringen.

Besonders durch das herausfordernde Referat von Dr. Andreas Kusch wurde den Teilnehmern die Brisanz und Aktualität des Themas deutlich. Kusch wies nach, dass vor allem auf den Missionsfeldern, angesichts der gescheiterten Versuche, soziale Entwicklungsprojekte und westliche, von Aufklärung und Rationalismus geprägte Theologie zu etablieren, ein Umdenken eingesetzt hat. Missionare, geprägt vom europäisch-aufklärerischen Weltbild hätten in der Zwei-Drittel Welt versagt. Die Menschen würden dort nach wie vor in animistisch geprägten Kulturen leben. Ihnen sei z.B. die Machtfrage wichtig. Gefragt sei: Wie kann Leben gelingen, angesichts der Bedrohung durch unsichtbare Kräfte und Welten? Welche Kräfte können mobilisiert werden, damit es dem Einzelnen und seiner Familie gut gehe? Auf diese und andere Fragen versuchen die pfingstlich-charismatischen Kirchen eine Antwort zu geben. Durch ihre Betonung auf die Kraftwirkungen des Heiligen Geistes und einer Durchdringung von sichtbarer und unsichtbarer Welt Gottes, die gspürt und erlebt werden kann, sei es ihnen leichter möglich, am Denken der Menschen anzuknüpfen. Dass Gott mächtiger sei als die Geister, die ihm gehorchen müssen, davon würden dann die Heilungen zeugen. Sie seien Zeichen der Unmittelbarkeit Gottes, der erlebt werden könne. Hier sei ein Gegenpol geschaffen zu dem fernen Gott, der doch nicht helfen könne.

Kein Wunder, dass so geprägte Kirchen einen enormen Zulauf in der Zwei-Drittel-Welt haben. Pfingstlich-Charismatische Kirchen umfassen heute schon eine halbe Milliarde Menschen; sie sind die am schnellsten wachsende christliche Bewegung weltweit. Das macht sie natürlich interessant für die Ökumene, die in ihren Kirchen Resignation, Rückgang und Stillstand erleben. Aber auch traditionelle, nichtcharismatische evangelikale Kirchen und Werke sind hier herausgefordert. Zu fragen ist: Wo sind auch Evangelikale durch das Paradigma der Aufklärung unbewusst so geprägt, dass sie Gottes Wirken zwar verbal noch bekennen, aber in der Praxis verleugnen?

Spannend wurde es dann, als Andreas Franz die Entstehung, das Selbstverständnis und die Missionstheologie der charismatischen Missionen den interessierten Zuhörern zu vermitteln versuchte. Dabei wurde deutlich, dass sich hier eine neue Bewegung Bahn bricht, die jedoch in ihren Konturen und theologischen Auffassungen erst ansatzweise sichtbar und fassbar wird.

Die Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich-Charismatischer Missionen e.V. begann ihre Arbeit im Jahre 1993. 17 Missionswerke mit etwa 154 Missionaren, 31 Kandidaten, 102 Mitarbeitern in Deutschland und 1200 Mitarbeitern im Ausland gaben sich 1998 eine gemeinsame Satzung, heute sind es 31 Vollmitglieder und 13 Gastmitglieder. Etwa 300 Gemeinden wurden in den letzten Jahren von diesen Missionen weltweit gegründet. Interessant ist, dass wichtige Anliegen dieser Werke die sozialdiakonische Arbeit und Gemeindegründung darstellen. Der ganze Mensch mit seinen geistlichen und leiblichen Bedürfnissen stehe im Zentrum der Bemühungen.

Es wurde dann in der weiteren Diskussion deutlich, dass in den Reihen der Pfingstlich-Charismatischen Missionen bis jetzt noch keine eigene Missionstheologie formuliert wurde. Prägend sei hier noch eine sehr pragmatische Ausrichtung. Wichtig sei ihnen jedoch, nach Franz, dass etwas geistlich geschähe, dass Gott rüber komme, dass Gott spürbar werde und die Geistesgaben erlebbar seien. Hier betonte Franz vor allem Heilungen und Befreiungen (Exorzismen). Sie würden auf dem Missionsfeld erlebt als Zeichen des anbrechenden Reiches Gottes; Betonungen lägen auch auf einer deutlichen Absage an die bisherigen Götter und dem fünffältigen Dienst nach Eph. 4,11. Auch heute gäbe es Menschen mit apostolischen oder prophetischen Gaben.

Der Empfang der Taufe mit dem Heiligen Geist und die Sprachenrede werde aber innerhalb der Pfingstlich-Charismatischen Missionen unterschiedlich betont und praktiziert. Hier zeigten sich denn auch in der Diskussion deutliche theologische Unterschiede. Trotzdem empfanden alle Teilnehmer die starke Herausforderung, die in dem Aufbruch der pfingstlich-charismatischen Kirchen weltweit liegt.

Als Fazit der Tagung möchte ich festhalten: Evangelikale Missionstheologie ist gehalten, dem Wirken des Heiligen Geistes als Geist der Mission Raum im theologischen Denken und Handeln zu geben. Das Wirken des Geistes umfasst den ganzen Menschen nach Leib, Seele und Geist. Gerade in der missionarischen Erstverkündigung vor Ort wirkt der Geist als Gottes Kommunikator durchs Wort aber eben auch in Zeichen und Wundern. In der Mission ist der Geist so Gottes gnädige Antwort auf die Fragen der Menschen nach Schutz und Hilfe gegen die Welt der Geister und Dämonen. Dennoch sieht der Glaube auf die unsichtbaren, objektiven Heilstatsachen; Gottes Wirken lässt sich nicht instrumentalisieren, ER bleibt der souveräne Herr, der Heilungen schenken kann oder Krankheit zu tragen aufgibt.

Nächstes Treffen: 23. bis 25. 10. 2005

 
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 11/1 (2005)
Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie
07.12.2005 – http://www.afet.de