Mission und Propheten, Menschensohn und Hoheslied.

Die Tagung 2004 der FAGAT.

Julius Steinberg

Stimulierende Referate, anregende Diskussionen und die Pflege von Kontakten in freundschaftlicher Atmosphäre kennzeichneten das Treffen der Facharbeitsgruppe Altes Testament (FAGAT). 25 Teilnehmer hatten sich dazu vom 7. bis 9. März 2004 in Haus Friede in Hattingen eingefunden. Die folgenden fünf Vorträge standen auf dem Programm:

die Teilnehmer des FAGAT-Seminars 2004

Ansätze zur Mission im Alten Testament

Unter diesem Thema stellte Siegbert Riecker (ETF Leuven, B) Ergebnisse aus seiner in Arbeit befindlichen Dissertation vor. Bestehende Arbeiten zum Thema „Mission im Alten Testament“ problematisierte er vor allem darin, dass häufig ein extern definierter Missionsbegriff vorausgesetzt und an die alttestamentlichen Texte herangetragen wird. Dies führt nicht selten zu dem Ergebnis, das Alte Testament kenne Mission nicht, oder aber, Israel sei in seinem Missionsauftrag gescheitert. Riecker betonte demgegenüber die Notwendigkeit, die entsprechenden theologischen Konzepte aus dem Alten Testament selbst zu erheben. Dabei legte er Textstellen zu Grunde, die sich mit dem Verhältnis zwischen Israel und den Fremdvölkern befassen. Er formulierte vier solcher grundlegenden Konzepte: Israel als Segensmittler für alle Geschlechter der Erde; Israel als Modell zur Vermittlung von Erkenntnis Gottes; Israel als königliches Priestervolk; die Aufnahme des Fremden in die Kultgemeinschaft.

konzentriertes Hören und Arbeiten in großer Runde

Das Verhältnis von Elia und Elisa in 2Kö 2

Hartmut Schmid (Studienleiter des Albrecht-Bengel-Hauses, Tübingen) argumentierte in seinem Referat, dass dem Kapitel 2Kö 2 von der sogenannten Himmelfahrt Elias innerhalb des Königebuches eine besondere Rolle zukomme. Danach kann das Kapitel als literarisches Zentrum einer sich über die Königebücher erstreckenden konzentrischen Struktur angesehen werden. Außerdem handelt es sich um den einzigen Text im Königebuch, der nicht innerhalb eines Königsrahmens steht. Theologisch geht es nach Schmid in 2Kö 2 um das Thema „Leben und Tod“: Elias Leben, abgeschlossen mit der Himmelfahrt, steht zum Zeichen dafür, dass die Entscheidung für Jahwe und gegen Baal zum Leben führt. Parallel dazu entscheidet auch die Haltung zu Jahwes Propheten – Elisa – über Leben und Tod, wie 2Kö 2,19–25 zeigt. Elisa ist als vollwertiger Nachfolger Elias dargestellt, der in der Gemeinschaft bis zum Schluss den Geist Elias erbt. Historisch steht Elisa in einem anderen Kontext als Elia. Er fährt nicht wie Elia zum Himmel auf, doch kommt in seinem Tod ein anderer zum Leben (2Kö 13,21).

Dr. Stefan Felber und Prof. H.J. Koorevaar

Das Verstockungsmotiv in Jesaja 40–66 – Einheit und Komplexität

Torsten Uhlig (University of Gloucestershire, Cheltenham, UK) vertrat in seinem Dissertationsbericht die These, dass Jes 40–66 als literarische Einheit anzusehen ist. Unterschiede zwischen den Abschnitten 40–55 und 56–66, die öfter als Widersprüche verstanden und dann für eine literarkritische Scheidung angeführt werden, lassen sich nach Uhlig sinnvoll im Sinne einer komplexen Einheitlichkeit verstehen. Seine These untermauerte er mit der Präsentation einer detaillierten literarischen Struktur von Jes 40–66, auf der aufbauend er die „kommunikative Strategie“ von Jes 40–66 skizzierte.

Das Verhältnis von Menschensohn und Davidischem Messias

Nach PD Dr. habil Markus Zehnder (Universität Basel, CH) ist der „Menschensohn“ von Dan 7,13f weder als Engelwesen noch als Symbol für das Gottesvolk anzusehen, sondern – von einer rein inneralttestamentlichen Betrachtung ausgehend – einerseits als eine göttliche Gestalt, die andererseits gleichzeitig sehr detaillierte Parallelen zu den Darstellungen des davidischen Messias aufweist. So erscheinen sowohl der Menschensohn als auch der Messias im Zusammenhang mit dem Gericht über die Feinde Gottes; die Herrschaft des Menschensohnes als auch die des Messias ist ewig und weltweit; der Menschensohn als auch der Messias sind Repräsentanten des Gottesvolkes usw. Zehnder unterstrich, dass die ewige und weltweite Herrschaft des Menschensohns wie auch die Tatsache, dass er von allen Völkern verehrt wird, eindeutig dafür spricht, dass er als ein göttliches Wesen anzusehen ist. Der gleichzeitig enthüllende und verhüllende Charakter der Apokalyptik – vermutlich der Grund, warum das Wort „Messias“ in Dan 7 nicht verwendet ist – spiegelt sich in dem Menschensohnbegriff, der sicher gerade deshalb für das Neue Testament von besonderer Bedeutung ist.

...nicht immer schaute man aneinander vorbei

Interpretation des Hohenliedes unter Berücksichtigung moderner Literaturtheorie

Im letzten Referat der Tagung stellte Dr. Stefan Fischer (Universität Wien, A / Pfarramt in Bettingen, CH) einige Aspekte der Interpretation des Hohenliedes vor. Seiner Analyse legte er verschiedene Kategorien aus der neueren Literaturwissenschaft zu Grunde. So zeigte er z.B. auf, dass das Buch die meisten der von Goethe für die Gattung „Lyrik“ aufgeführten Kriterien erfüllt, allerdings in dem Punkt abweicht, dass in Ansätzen eine szenische Darstellung vorliegt. Auch erläuterte er die Kategorie des „auktorialen Erzählers“ als eines sich außerhalb des Figurenuniversums befindenden Sprechers. Im Hohenlied tritt der auktoriale Erzähler nach Fischer an fünf Stellen in Erscheinung (1,1; 3,6–11; 6,8f; 8,5a; 8,11), die dadurch eine besondere steuernde Funktion für die Rezeption haben. Auffällig ist der Salomobezug an jeder dieser Stellen. Salomo erscheint im Hohenlied nicht als Sprecher, sondern in einer literarischen Funktion. Zunächst als positiver Bezugspunkt eingeführt, kehrt sich nach Fischer das Salomobild im Laufe des Hohenliedes um, so dass er am Ende die Negativfolie der Darstellung der Liebe bildet.

Gespräche bei Tisch

Zum ersten Mal bei einem FAGAT-Treffen standen am Montagnachmittag parallele Gesprächsgruppen zu verschiedenen Themen auf dem Programm. In einer Gruppe wurden erste Schritte zur Planung eines Sammelbandes zur AT-Theologie unternommen. Eine zweite Gruppe stand unter dem Thema „Was mir Anfechtungen in der AT-Forschung bereitet“. Die nächsten Seminare der FAGAT sollen vom 6. bis 8. März 2005 und vom 5. bis 7. März 2006 stattfinden.

 
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 10/1 (2004)
Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie
13.09.2004 – http://www.afet.de