Evangelikale Missionstheologie:
Konsequenzen für die theologische Ausbildung

Bernd Brandl

Es sind inzwischen zwei Jahre ins Land gegangen, seit sich die Facharbeitsgruppe Missionstheologie (FAGMT) des AfeT und des AfeM zum letzten Mal in der Akademie für Weltmission (Korntal) getroffen hat. In der Zwischenzeit (2002) jährte sich zum 50. Mal die Weltmissionskonferenz Willingen. Willingen hatte dem Konzept der Missio Dei zum Durchbruch verholfen, das die Begründung der Weltmission in dem Missionswillen des dreieinigen Gottes findet. Dieses Jubiläum war Anlass genug, dass sich auch die FAGMT 2001 mit einer evangelikalen Sicht der Missio Dei beschäftigte.

Aus dieser Tagung erwuchsen manche Fragen: Wie soll sich evangelikale Missionstheologie im Spannungsfeld von ökumenischem, katholischem und sonstigem Nachdenken über Mission positionieren? Wie ist überhaupt die Lage der deutschen evangelikalen Missionstheologie? In welcher Tradition steht sie, wo hat sie ihren Ort und was kann sie bewirken? Gibt es überhaupt so etwas wie „evangelikale Missionstheologie“ oder haben wir in Deutschland nur evangelikale Missionstheologen, die mehr oder weniger gut in Teilbereichen dieser Disziplin ihre Beiträge liefern? Wie wird deutsche evangelikale Missionstheologie in der internationalen Missionsbewegung wahrgenommen, wie von der Ökumene?

Mitten in dieses Fragen nach dem Weg evangelikaler Missionstheologie in Deutschland veröffentlichte Bernhard Ott, Studienleiter des Theologischen Seminars Bienenberg (CH, Mennoniten), seine am Oxford Center of Mission Studies eingereichte Dissertation, in der er sich kritisch über den Zustand theologischer Missionsausbildung an deutschsprachigen evangelikalen Seminaren und Bibelschulen äußert (Beyond Fragmentation: Integrating Mission and Theological Education. A Critical Assessment of some Recent Developments in Evangelical Theological Education. Carlisle: Paternoster: 2001. 410 S.). Klaus Schäfer, theologischer Referent für missionstheologische Grundsatzfragen im Evangelischen Missionswerk (Hamburg) griff Otts Thesen in einer Rezension auf und sprach von der „babylonischen Gefangenschaft der deutschen evangelikalen Missiologie“. So lag es nahe, das Gespräch mit beiden zu suchen: Ott, wegen seiner selbstkritischen Anfragen an die Evangelikalen und Schäfer, weil er als ökumenischer Missionstheologe eine dezidierte Außensicht der evangelikalen Missionsbewegung hat.

Unter dem Thema: „Evangelikale Missionstheologie: Konsequenzen für die theologische Ausbildung“ lud die Facharbeitsgruppe Missionstheologie vom 19. bis 21.10.2003 nach Korntal ein. In offener und selbstkritischer Atmosphäre diskutierte ein Kreis von 12 bis 15 Teilnehmern intensiv die Thesen von Bernhard Ott, der sich zusammen mit Klaus Schäfer den Fragen evangelikaler Missiologen und Theologen stellte. Dabei gelang es nach langer Zeit wieder einmal, mit einem Vertreter des ökumenisch orientierten Evangelischen Missionswerkes den abgerissenen Gesprächsfaden zwischen evangelikaler und ökumenischer Missionstheologie aufzunehmen.

Als persönliches Fazit der Tagung möchte ich festhalten:

1. Ganz zweifellos ist zu beklagen, dass die besondere deutsche Situation durch die Kämpfe um das rechte Verständnis von Mission in der Vergangenheit zu einer Isolierung deutscher evangelikaler Missiologie geführt hat. Diese gilt es zu überwinden.

2. Deutsche evangelikale Missiologie sollte sich bemühen, im Bewusstsein des eigenen Erbes (lutherisch-pietistisch, Erweckungsbewegung, Frankfurter Erklärung) in einen fruchtbaren Dialog mit der internationalen evangelikalen Missionsbewegung zu treten. Es darf nicht so bleiben, dass internationale evangelikale Missiologen eher Kontakte zum Evangelischen Missionswerk in Hamburg pflegen als zu deutschen evangelikalen Missiologen.

3. Dabei ist es wichtig, die neueren Entwicklungen in Ökumene und internationaler evangelikaler Bewegung wahrzunehmen, sich den Veränderungen in der weltweiten Missionsbewegung zu stellen. Oft hat es in der Vergangenheit nur eine verzerrte oder überhaupt keine gegenseitige Wahrnehmung gegeben.

4. Deutsche evangelikale Missiologie sollte sich nicht selbst lähmen, sondern mutig, im vollen Bewusstsein der Probleme und Krisen in der Weltmission, kreativ in die Diskussion um ein ganzheitliches Missionsverständnis eingreifen und eigene Lösungen anbieten.

5. Die Krise der Mission, die Infragestellung des westlichen (europäischen) Typs der Christenheit und die geistliche Schwäche der westlich geprägten Kirchen trifft nicht nur die Ökumenische Bewegung, sondern längst auch die Evangelikalen. Beide Gruppen stehen vor ähnlich großen Fragen und Herausforderungen. Evangelikale sollten nicht diesen drängenden Fragen ausweichen sondern sich ihnen stellen und auch mit Ökumenikern um Lösungen ringen.

6. In dem Dialog zwischen Evangelikalen und Ökumenikern um Fragen der weltweiten Mission könnte es zu überraschenden Konvergenzen kommen. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass dabei tiefe Unterschiede in Fragen der biblischen Hermeneutik, der Christologie oder der Bewertung und Einschätzung der Weltreligionen nicht verschwiegen werden dürfen.

7. Deshalb ist es wichtig, bei aller Klage über die Zerrissenheit der Christenheit und auch der weltweiten Missionsbewegung demütig die hierin begründeten Spannungen und Lasten zu tragen; jedoch sollten Gräben, wo vorhanden, nicht noch weiter vertieft werden.

Hinweis: Das nächste Treffen der Facharbeitsgruppe Missionstheologie (FAGMT), zu dem alle Interessierten herzlich eingeladen sind, findet vom 24. bis 26.10.2004 wieder in Korntal statt.

 
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen – ETM 9/2 (2003)
Herausgeber: AfeT – Arbeitskreis für evangelikale Theologie
07.03.2004 – http://www.afet.de