Europäische Christenheit in globaler Perspektive:
Erbe, Probleme, Zukunft

Bericht von der FEET-Konferenz 2002

Jürgen Bonßdorf

Vom 16.–20.8. fand die diesjährige Konferenz der „Gemeinschaft Europäischen Evangelikalen Theologen“ (GEET/FEET) im Neues Leben-Zentrum in Wölmersen statt. Etwa 90 Theologen aus aller Welt trafen sich, um Gemeinschaft miteinander zu haben und sich untereinander auszutauschen. Das Thema der alle zwei Jahre stattfindenden Konferenz lautete in diesem Jahr: „Europäische Christenheit in globaler Perspektive: Erbe, Probleme, Zukunft“. Zum ersten Mal wurde die FEET-Konferenz in Zusammenarbeit mit der Theologischen Kommission (TC) der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) durchgeführt. Außerdem hatte der Arbeitskreis für evangelikale Theologie (AfeT) die Konferenz anlässlich seines 25-jährigen Bestehens zu einem festlichen Abendessen eingeladen.

Rolf Hille (D) und Pierre Berthoud (F)
Rolf Hille (D) und Pierre Berthoud (F)

Was Europa ausmacht

In zwei Vorträgen führte Rolf Hille (D) in das Thema ein. Hille stellte die Frage, was Europa eigentlich ausmache. Drei Aspekte hob er dazu heraus: Europa ist geprägt von der griechischen Kultur, der römischen Verwaltung und dem christlichen Glauben. Dieser sei jedoch, so Hille, immer stärker in den Hintergrund getreten. Es sei daher notwendig, auch gerade die nominelle Christenheit wieder neu zu evangelisieren.

Jochen Eber (D) und Hans-Georg Wünch (D)
Jochen Eber (D) und Hans-Georg Wünch (D)

Erbe der Kirchenväter

Thomas Odem (USA) referierte über „das theologische Erbe der Kirchenväter“. Er betonte, dass unsere heutige, westliche Theologie sehr stark von den im wesentlichen asiatischen und afrikanischen Theologen der ersten Jahrhunderte geprägt sei. Gerade auch in exegetischer Hinsicht ginge, so Odem, der Osten dem Westen voraus.

Donald Carson (USA)
Donald Carson (USA)

Relevanz der Kirchenteilungen in Europa für die Weltchristenheit

Daniel Noelliste (Jamaica) untersuchte „die Relevanz und die Auswirkungen der europäischen denominationellen Kirchenteilungen für die weltweite Christenheit“. Er machte dies in besonderer Weise an der kirchlichen und politischen Situation in seiner Heimat Haiti fest. Noelliste zeigte auf, dass vor allem junge Gemeinden in vielen Teilen besonders der dritten Welt sehr stark unter den aus Europa und den USA importierten denominationellen Spannungen zu leiden haben. Besonders im Zusammenhang mit der Kolonialisierung habe dies zu tiefen Spannungen und Spaltungen quer durch manche Volksgruppen hindurch geführt.

Gerald Bray, Christoph Stenschke
Gerald Bray, Christoph Stenschke

Lernen vom Säkularismus

Einen weiteren Vortrag hielt Vinoth Ramachandra (Sri Lanka). Zu dem Thema „Lernen von dem modernen europäischen Säkularismus: Eine Betrachtung aus der Perspektive der Dritten Welt“, machte er deutlich, dass es nur sehr wenige positive Lernanreize durch den modernen europäischen Säkularismus gebe. Dazu gehöre vor allem die Durchdringung der kontextuellen und auch der sprachphilosophischen Themen. In negativer Hinsicht könne man jedoch aus dem modernen europäischen Säkularismus eine ganze Menge lernen. Dazu gehört vor allem, wie man sich in den Kirchen vor derartigen Entwicklungen schützen könne. Wichtig sei, dass wir uns den Herausforderungen des theologischen und des säkularen Lebens stellen müssen. Gesucht sind christliche Wissenschaftler, die an der Diskussion in der säkularen Öffentlichkeit teilnehmen, und die auch in der Lage sind, die biblische Weisheit gegenüber den vielfältigen philosophischen Zeitströmungen zu vertreten.

Howard Marshall (UK) und Peter Kusmic (Kroatien)
Howard Marshall (UK) und Peter Kusmic (Kroatien)

Europas Einfluss auf die theologische Ausbildung in der Dritten Welt

Nach Valdir Steuernagel (Brasilien), „Die Bedeutung und die Auswirklungen der europäischen akademischen Theologie auf die theologische Ausbildung in der Dritten Welt“, hat die liberale Theologie die Armen in der Dritten Welt nicht zufrieden stellen können. Vielfach habe man sich daher erfahrungstheologischen Ansätzen zugewandt. Besonders die pfingstkirchlichen Gemeinden seien dadurch stark gewachsen. Steuernagel betonte die Notwendigkeit theologischer Ausbildung und Erziehung, um den vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit begegnen zu können. Eine solche theologische Ausbildung müsse von der Dreieinigkeit ausgehen und in ihrem Zentrum vom Wort Gottes geprägt sein. Sie lebe von der Erfahrung, deute die Zeichen der Zeit, sei rationale, aber betone auch menschliche Beziehungen und erreiche das Herz. Sie spreche über Familie und die einfachen Dinge des Alltags, sei im Leben umsetzbar, habe ein Herz für die soziale Not der Menschen, sei offen und missionarisch orientiert. Und schließlich sei sie, so Steuernagel, auf das Ende ausgerichtet und wisse, das Gott einmal alles neu machen werde.

Bruce Nicholls (Australien) Valdir Steuernagel (Brasilien)
Bruce Nicholls (Australien) Valdir Steuernagel (Brasilien)

Was kann Europa lernen?

Ein letzter Vortrag schließlich wurde von Craig Bartholomew (UK/Südafrika) gehalten: „Was kann Europa lernen von den Missionskirchen über die Art und Weise, das Evangelium in einer multikulturellen Gesellschaft zu verkündigen“. Er betonte die positiven Elemente einer vom Pietismus geprägten Theologie gegenüber einer scholastischen Nüchternheit. Missionarische Kirchen leben, so Bartholomew, von einer integrierten Spiritualität.

Stephen Dray (UK), Annemarie Kohl (NL) und Donald Carson (USA)
Stephen Dray (UK), Annemarie Kohl (NL) und Donald Carson (USA)

Die morgendlichen Bibelarbeiten wurden von Donald Carson (USA) gehalten. In verschiedenen Arbeitsgruppen gab es in diesen Tagen mehrmals die Möglichkeit, in den Vorträgen angerissene Themen zu vertiefen. Insgesamt wurde dabei deutlich, dass die evangelikale Theologie und Verkündigung für Gemeinde wie Mission von großer Bedeutung ist. Dabei gilt es, von den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und eine Theologie zu entwickeln, die zugleich wissenschaftlich sauber und in der Praxis anwendbar und lebbar ist.

im FEET-Vorstand: Peter Legarth (DK), Christoph Stenschke (D), Henri Blocher (F), Howard Marshall (UK), Rolf Hille (D), Pierre Berthoud (F), Jochen Eber (D),...
im FEET-Vorstand: Peter Legarth (DK), Christoph Stenschke (D), Henri Blocher (F),
Howard Marshall (UK), Rolf Hille (D), Pierre Berthoud (F), Jochen Eber (D),...
aus: Evangelikale Theologie Mitteilungen - ETM 8/2 (2002)
Herausgeber: AfeT - Arbeitskreis für evangelikale Theologie

14.05.2003